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Freitag, 22. September 2023

Kötztinger Häuserchronik - die Jahnhalle und der Jahnplatz

 Das ansehnliche Gebäude an der Stirnseite des heutigen geteerten Jahnplatzes ist vor einigen Jahren knapp dem Abriss entkommen und es ist nur einem Engagement ganz besonderer Bürger zu verdanken, dass uns dieser Veranstaltungsort, mit dem viele mittlerweile ältere Kötztinger Bürger viele Erinnerungen verbinden, nicht nur erhalten geblieben ist, sondern auch eine Zukunft hat.

Serwuschok 329 städtische Turnhalle ca. 1972
Auf diesem Bild vom Ende der 60er Jahre kann man noch erkennen, woher der heutige Jahnplatz seinen ursprünglichen Namen hatte: der Bleichanger. Auf dieser Wiese wurden früher die Wäschestücke nach dem Waschen zum Bleichen in die Sonne gelegt.

Frau Paula Dittrich beschrieb den Bleichanger in ihrer unnachahmlichen Erzählkunst folgendermaßen:
(Aus Dittrich Paula, Kinder, Nachbarn und andere Leut, wie´s früher war im Bayerischen Wald S. 75)

 Unser Bleichanger


Wiese zum Bleichen selbstgefertigter Leinwand, Weide für schnatternde Gänseherden, Festplatz für die Vereinsfeste und die Überreichung des Pfingstkranzls, erster Fußballplatz, Arena für Sportler aller Sparten und schließlich Ein-, Aus- und Umsteige für Hunderte von Schülern; einst grüner, mit Federn und Gänseblümchen geschmückter Grasfleck, heute zeitgemäß zubetonierter Bus-Bahnhof. Das ist in Kürze der Lebenslauf unseres Bleichangers, alias Jahnplatzes.

In unserer Kinder- und Jugendzeit nannte man's dort, worüber wir tausendmal barfuß liefen, uns den Gänsbaaz durch die Zehen drückten und uns vorm Ganserer fürchteten, einfach „af da Bloich".

Damals lagen noch hin und wieder ein paar Bahnen weißen Leinenzeugs am Regenufer, wenn sie sicher auch nicht mehr selbstgesponnen waren.

Rein- und Weichspüler für Vergilbtes gab's noch nicht, aber Wasser und Sonne genug, noch dazu kostenlos.

Zweimal im Jahr war's dann aus mit Gänsegeschnatter und Ganserergezisch.


Am Pfingstmontag scharten sich auf dem Bleichanger vorm Einritin den Markt die Pingstreiter in weitem Rund um den Roß-Koprata - heute sagt man Herr Kaplan" und „Geistlicher Offziator des Pfingstrittes" dazu - 2 Kranzlübergabe. Bis 1949 hörte dort jeder Pfingstbräutigam das mit Her: klopfen erwartete „Er reite vor!" und schmetterte sein „Ich danke für die Ehre und Auszeichnung!" in den Pfingsttag.

Während dann noch Fahnen und Bänder für langjährige Teilnahme ver. liehen wurden, verschwanden Pfingstbräutigam und Brautführer schleunigst im Häusl des Gemeindehirten.

Hineing'schloffen sind s' durch das niedere Türl, müd, in staubigen Hosen und verschwitzten Jankern, und heraus kamen sie im Handumdrehen frisch und sauber in blütenweißem Hemd und Schmieserl, feierlichem Gehrock und glänzendem Zylinder, in der Hand den bändergeschmückten Degen als Zeichen des einst wehrhaften Bürgertums.

Alljährlich bestaunten wir mit offenen Mündern dieses Pfingstwunder, das uns Kindern die Erneuerungskraft des Pfingstgeistes sinnfälliger vor Augen führte, als die feurigen Zungen der Apostelgeschichte es vermochten. „Was unrein ist, mach Reinster rein, was noch im Staube liegt, erhebe!" Da war's!

Das zweite Hochfest des Jahres erlebte der Bleichanger zur Zeit des Vereinsfestes, einem gar nicht so bescheidenen Vorläufer des Pfingst-Volksfestes.

Einlass zum Festplatz gab's nur von der Dampflbachbrücke her. Alles musste durch ein triumphbogenartiges, dreitoriges, aus Holz aufgebautes und mit Bäumchen und Girlanden geschmücktes Gebilde, und jeder Familienvater entrichtete hier getreulich den Obolus für eine meist recht zahlreiche Schar. Wer's von den Buben schaffte, hintenherum hineinzukommen, wurde zwar verächtlich „Bscheißer" genannt, aber auch beneidet, denn fürs ersparte Einlassgeld konnte der schon wieder ein paarmal mehr Praterfahren.

Da gab's zunächst einmal das Kettenkarussell, in das ich mich lange nicht hineintraute, weil ich meinte, die Ketten müssten doch da oben ausreißen, wenn so viele Kinder in den schwingenden Sesselchen sitzen. Außerdem plärrte der Mann an der Kasse immer:, Komm auf die Schaukel, Luise", und

unter uns gab's gar keine Luise.

Sicherer waren für alle Falle die Pferdchen und kleinen Kutschen des Praters, der so einladend in der Mitte stand. Der spielte auch so gemütlich: Mein Herz, das ist ein Bienenhaus!" Oben, unter dem luftigen Dach, schoben Buben das Werkl im Schweiße ihres Angesichts und mit Feuereifer in der Erwartung auf ein paar Gratisfahrten, bis sich die ganze Welt um uns drehte.


Die Schiffschaukel war das Reservat der kraftstrotzenden Landburschen.

Mit einer leichten Gänsehaut sahen wir zu, wenn sie, den Hut im Genick und die Zigarette im Mund, prahlerisch in eines der Schifferl sprangen, in die Hände spuckten und mit einem Juhuhuii nun hoch und immer höher schwangen, bis es einem gelang, kopfunter in der Luft stehenzubleiben oder rundherum zu kreisen. Wahrscheinlich spornte unser kreischendes „Ui, Uiii!" die meist schon ein wenig angespitzten Akrobaten zu immer halsbrecherischeren Darbietungen an. Nachdem aber dann einmal einer aus der Schaukel gestürzt war, hing ein Plakat an der Kasse: „Umschwingen und auf den Rand stehlen polizeilich verboten.

Wer's geruhsamer wollte, hielt's mit der gemächlichen Berg- und Talbahn, deren ganze Attraktion darin bestand, dass man auf samtenen Kanapees in die sanft ansteigende, tunnelartige hintere Hälfte des Karussells fuhr, wo's finster war, um dann auf der anderen Seite wieder ebenso sanft ins Tageslicht heruntergeschaukelt zu werden. Das ging vielleicht ein Dutzendmal so. Bei stärkerem Andrang verkürzte sich die Rundenzahl beträchtlich.

Eine Sensation erschien mit der ersten Rutschbahn. Über einen rollenden Teppich vollzog sich der Aufstieg in beträchtliche Höhe. Wenn er gelang! Die meisten hielten sich ängstlich am Geländer fest oder versuchten, auf dem verflixten Ding zu gehen, was sie natürlich - zum Riesengaudium der Zuschauer - mit den groteskesten Gliederverrenkungen oder, wie ein zappelnder Maikäfer auf dem Rücken liegend, zu büßen hatten, bis sie einer der Schaukelburschen gekonnt aufrichtete und nach oben führte.

Immer wieder angelte einer, dem eine Maß zuviel den Mut zum gewagten Unternehmen angeheizt hatte, mit seinem Hakelstecken verzweifelt nach einem Halt und schrie in die von unten herauf winselnde „Waldes-luhuhust" hinein : ‚Wej, hoits es af des Wergl, i mog nimma!"

Herunterzu saß man dann auf einem Lederfleck und sauste durch eine steile, gewundene Rinne. Alle, die die Sturzfahrt zu bremsen versuchten, gingen mit verbundenen Ellenbogen herum.

Ein Bierzelt oder die Reblaus vom Liebl Ferd gab's natürlich auch. Aber ganz früher saßen die Durstigen nur an aufgestellten Tischen ohne Bedachung und Bretterboden und brachten ihren Leberkäs selber mit. An gebratene Gickerl kann ich mich nicht erinnern.

Wir Kinder erstanden beim Lebzelter Anislaiberl, Makronerl oder Weißenregner. In der Kracherlbude sprudelte giftgrünes Waldmeister- und grellrotes Himbeergetränk aus kleinen Fäßchen. Wer ein übriges Geld hatte oder Eindruck schinden wollte, schoss eine Rose am Schießstand oder zog am


Glückshafen ein Los, haute den Lukas oder erweiterte im Panorama mit dem Betrachten von Schlachtenbildern seine Geschichtskenntnisse.

Rar waren damals solche Feste und wurden drum so richtig genossen.

Es brauchte keinen Tag der Vereine, der Betriebe, der Senioren oder gar der Kinder. Wenn einmal im Jahr Volksfest war, ging jeder hin.

In den zwanziger Jahren wurde der Bleichanger Fußballplatz. Da rannten zweiundzwanzig g´standne Manner hinter einem braunen Lederball her, dem immer wieder einmal mit einer Luftpumpe die „Lunge" gestärkt werden mußte.

„Narrisch" sagten die einen, „pfundig" die andern. Aber Skeptiker und Bewunderer, alle standen sie gespannt um den holprigen, mit Grasbüscheln bestückten Fleck und schrien „Tooorl" Stolz versorgten in der Halbzeit Mädchen die wackeren Mannen mit Zitronenschnitzeln und Krachern. Im Tor stand der Schmied Schorsch, und ich spürte bei jedem Spiel einen abscheulichen Neid auf seine Schwester Babettl aufsteigen, weil mein Bruder nur Linksaußen war.

Die Turnhalle wurde gebaut, und ab nun hieß der Bleichanger Jahnplatz.

Drauf wurde gesprungen und gelaufen, weit und hoch, geturnt und Kugel gestoßen, halt alles, was zu so einem Jahnplatz gehört.

Inzwischen hat er größere, sportgerechtere, vornehmere Verwandte gekriegt, sein ruppiges, schütteres Grasfell wurde plattgewalzt und mit Asphalt zugepappt. Da ist der Bleichanger gestorben.

Dafür haben wir jetzt einen ordentlichen Fest- und Parkplatz, über den täglich wieder unzählige Kinderfüße rennen. Aber nicht mehr barfuß.


Soweit Frau Paula Dittrich in ihren Kindheitserinnerungen.


Diese Freifläche vor dem Markt wurde, wie von ihr geschildert,  schon seit eh und je für viele Veranstaltungen und Lagermöglichkeiten genutzt. Die ursprüngliche Verwendung als eine besonnte Bleichfläche am Regen wurde ja bereits genannt. Es gab aber noch viel mehr, was hier auf der Wiese sich ereignete.
Fangen wir gleich mit der Festrede des geistlichen Offiziators und der anschließenden Kranzlübergabe mit den Auszeichnungen am Ende des Pfingstrittes an. 
Dann musste die Wiese auch noch herhalten als Exerzierplatz für die Bürgerwehr, Platz für die landwirtschaftlichen Bezirksfeste, als Holzlager und Fußballplatz.
Nach der Errichtung der Turnhalle kamen dann noch etliche Sportereignisse hinzu und auch die Bezirksfeuerwehr nutze die Fläche für ihre Übungen für Mannschaften und Gerät.
Nachdem die Kranzlübergabe im Zuge der Neuorganisation der Pfingstwoche ab 1949 auf dem Marktplatz stattfinden konnte, wurde die Wiese an Pfingsten frei für ein Volksfest. Zunächst nur am Pfingstwochenende geplant, wurde gleich im Jahr zwei das Fest auf eine ganze Woche ausgedehnt.
Viele Vereine nutzen den Bleichanger für ihre Feste, angefangen bei der  Feuerwehr bis zu den Fischerfesten. Der Turnverein hatte dort in manchen Jahren den Start- und Endpunkt seines Wandertages und auch der AC nutzte die Fläche für manche Suchfahrten.
Eine ganz besondere Rolle hatte dieser Platz am Kriegsende gespielt, als die Männer der 11. deutschen Panzerdivision nach ihrer Kapitulation unter anderem von der 2nd Cavalry auch auf dieser Fläche bewacht wurden, wo sie in Zelten und Behelfsunterkünften auf das Kriegsende und damit auf die vertraglich versprochene Entlassung warteten.
Die vielfältige Nutzung der Turnhalle für Bälle, Ausstellungen und Propagandaveranstaltungen soll hier nur kurz angedeutet werden, das Bildmaterial, das wir davon im Stadtarchiv haben, ist Legion.

Fangen wir zunächst mit dem Bleichanger an:

Die Gänseweide für die Obermarktler.
Dass diese "Bleiche" gleichzeitig auch als Gänseweide genutzt wurde, deren "Hinterlassenschaften" dem Gedanken des Trocknens und Bleichens von weißer Leinwand nicht einträglich waren versteht sich von selbst. Erst den Mitgliedern der Kötztinger SA wurden diese Hinterlassenschaften der Gänse so richtig lästig beim Marschieren und Üben, so dass die Gänse schlussendlich weichen mussten. Was die Hausfrauen und Mägde mit ihrer Wäsche nicht schafften, erledigte die SA.
StA Kötzting 440/1


Aber auch bereits vorher kam es schon zu Konflikten zwischen der Sonnenbleiche und der Landwehr.


StA Kötzting AA I 65
"Das Bataillons Commando
an den Marktmagistrat Kötzting
Künftigen Montag den 15ten Juni Vormittags wird vom K. Oberstleutnant Frhr von Schaky die Inspektion der Landwehr Compagnie Kötzting gepflogen werden, weßhalb man ersucht zu sorgen, daß an diesem Tage wenigst bis vormittags 10 Uhr keine Leinwand zur Bleiche aufgezogen wirde.
den 13. Juni 1835
Der Bataillons Chef
Frhr von Schatte"



Auch alte Wegerechte bereiteten den Benutzern Probleme:

Vermessungsamt Cham: 5168-2100-LiquiP_Bad_Koetzting_2_1-01
In Kötztings Osten - heutzutage alles eng bebaut - waren damals nur landwirtschaftliche Flächen, durchschnitten vom Regenfluss, dem Dampfbach und dem Kirchenweg nach Grafenwiesen, einmal hinaus über die Herrenweiher oder über den Weg vorbei an der Sandgrube und hinauf auf die  Rieselhöhe.
Das Flurstück 431a/2 jedenfalls, in Besitz des Marktes (gekennzeichnet durch die rote "44"), war der damalige Bleichanger und, auch wenn diese Fläche so gleichförmig aussieht, es gab Durchfahrtsrechte, die selbst im 20. Jahrhundert noch Probleme machen konnten, Stichwort  Fußballplatz.
Hier ein Beispiel für solche "geschriebene" althergebrachte Wegerechte:
StA Kötzting AA XV 77 von 1864
"Situationsplan
der alten Fahrtwege über den Bleichanger PlNr. 431 1/2a  in die Rabl resp. Lebzelter Wiese PlNr. 548

Auf der großen "Insel" die der Regenfluß bei der Wiesmühle gebildet hatte, hatten mehrere Kötztinger Bürger Wiesengrundstücke (Costa, Weiß, Korherr, Kirschbauer und Weiderer) und, da eine Querung des Werkskanals nicht möglich war, mussten diese den Weg durch den Fluss nehmen, um zu ihren Grundstücken zu gelangen.
Die Zufahrten zu diesen Furten durchschnitten den Bleichanger gleich an zwei Stellen und auch der alte Kirchenweg nach Grafenwiesen führte längs mittendurch.
Der Wegestreit wurde durch eine neue "Aufteilung" gelöst, die aber den Bleichanger nur noch stärker durchschnitt.

Der Bleichanger als Holzlagerplatz und Festplatz der landwirtschaftlichen Bezirksschauen:


Kötzting war bis zum Ende des 19. Jahrhunderts auch ein Umschlagplatz für Holz, da das Flößerhandwerk eine der Freiheiten der Kötztinger Bürger bereits seit dem Mittelalter gewesen war.
6 Holzlagerplätze wies der Markt den Holzhändlern und Sagmüllern zu und der erste auf der Liste war der Bleichanger.
StA Kötzting 930-4

Für diese Lagerplätze erließ der Magistrat eine Lager= und Platzgebühren Ordnung



r
Im Jahre 1905, hatte der Kötztinger Landwirtschaftliche Lokalverein ein großes Fest abgehalten und auf dem Bleichanger ein richtiges Volksfest gefeiert. Eine ausführliche Schilderung des prachtvollen Festzuges und dem ganzen Begleitprogramm findet sich bereits in der Jahreschronik von 1905. 
Hier nur das tolle Bild der Veranstaltung aus der Sammlung Voithenleitner-Frank.

Ein tolles Zeitdokument aus der Sammlung Voithenleitner: Der Festplatz auf dem Bleichanger beim Landwirtschaftlichen Vereinsfest im August 1905, deutlich zu erkennen sind die verschiedenen Bier- und Weinzelte, die Schiffschaukel und das im Text der Zeitung erwähnte altdeutsche Portalzentral in der Mitte, dahinter verbergen sich wohl die Ehrentribünen


Ziemlich genau an der Stelle, an der im Bild im Hintergrund ein luftiges Zelt zu erkennen ist und an der später die Turnhalle gebaut wurde, plante der "landwirtschaftliche Lokalverein" im Jahre 1908 ein hölzernes langgestrecktes Bauwerk - im Bauakt trotz seiner sehr schlanken und langen Form auch als Halle bezeichnet.





  


StA Landshut: Rep 162-8  Sch. 23 Nr. 3445 Landwirtschaftlicher Lokalverein Bleichanger 1908




Der Bleichanger bei der Kranzlübergabe vor und nach dem Turnhallenbau:


DIA-Repro 980, eines der ältesten - wenn nicht das älteste - Aufnahmen, die wir von der Kranzlübergabe haben, vermutlich aufgenommen im Jahre 1894.
Der Bleichanger ist noch unbebaut und im Hintergrund kann man sowohl den Hedwigsfall als auch den Neubau des Herrn Weiderer - heute Miethaner - erkennen.

Krämerarchiv: Bleichanger um 1910 Hier ist bereits das zwei Jahre zuvor gebaute "Lagerhaus" zu erkennen

Im Jahre 1912, bei 500er Rittjubiläum hat der Fotograph seine Bildperspektive umgedreht und den Bleichanger in Richtung der heutigen Jahnstraße abgelichtet, vermutlich, weil er auf das Gebäude steigen konnte und die Situation von oben gut aufnehmen konnte.
DIA-Repro 439
Im Hintergrund ist gut der große "Triumphbogen" anlässlich des Rittjubiläums zu erkennen. Rechts im Bild erhält der Pfingstbräutigam Franz Liebl sein Pfingstkranzl

Die nächste "Stufe" ist die Kranzlübergabe vor der Kulisse des hölzernen Gebäudes des Landwirtschaftlichen Lokalvereins. Im Bundesfilmarchiv in Berlin hat sich ein Film über den Pfingstritt von 1925 erhalten mit dem bezeichnenden Titel: "Reiterfest in Kötzting". Zwei Screenshots aus dem Film zeigen das Bauwerk. Blickt man genau auf die - leicht unscharfen Screenshots aus dem Film, so kann man am Dachfirst eine Menge an Menschen erkennen, die sich an der Kante festhalten und von dort sicherlich den besten Blick auf die Veranstaltung hatten.
Szene von der Kranzlübergabe auf dem Bleichanger im Jahr 1925
Szene von der Kranzlübergabe auf dem Bleichanger im Jahr 1925
Im Jahre 1948 fand dann zum letzten Male die Kranzlübergabe am Bleichanger statt, hier das Bild der wartenden Menschenmenge vor der Turnhalle.
Bild Josef Barth Pfingsten 1948



 


Der Bleichanger als Militärlager.

Nach der Kapitulation der 11. Deutschen Panzerdivision zum Monatswechsel April/Mai 1945 wurden den Soldaten der Großraum Kötzting als Raum zugewiesen und rund herum in Kötzting in vielen Bauernhöfen kampierten die Soldaten, so auch auf dem Bleichanger, wo diese sich Notunterkünfte bauten, um nicht im Schlamm schlafen zu müssen. 
Sammlung Arbeitskreis, im Hintergrund gut zu erkennen, die städtische Turnhalle



Der Bleichanger als Fußballplatz

Im Jahre 1921 etablierte sich auch in Kötzting der Fußballsport und zwar zunächst als eine Unterabteilung des Kötztinger Turnvereins. In der turbulenten Anfangszeit dieses Sportes in Kötzting gab es teilweise bis zu drei Mannschaften, die in einen regulären Spielbetrieb einsteigen wollten, aber alle hatten keinen richtigen Fußballplatz. Der Not gehorchend mussten sie ihre Spiele auf dem Bleichanger austragen, obwohl dieser in keinster Weise die Maße hatte, die die Fußballregeln vorschrieben und der Platz auch von Feldwegen und Resten von Holzlagern durchzogen war.
Hier zwei Mannschaftsaufnahmen noch mit den hölzernen Schuppen/Stadel im Hintergrund.

Repro Rabl-Dachs 71260 links Josef Barth senior, einer der Vorstände der Fußballabteilung

Repro Rabl-Dachs 71259 Hier wohl eine andere Kötztinger Mannschaft mit dem Wappen auf der Brust.
Auch hier kann man "Zaungäste" auf dem Schuppendach erkennen.
Der Fußballklub bittet um eine Genehmigung, den Sportplatz einzäunen zu dürfen, was vom Markt aber als Problematisch abgelehnt wurde, da dieser als Lagerplatz des Marktmüllers Amberger genutzt wurde. Der Fußballklub verklagt ferner die andauernde Zerstörung des Spielfeldes durch Holzfuhrwerke.
Trotzdem wurde Fußball gespielt und aus dieser Anfangszeit gibt es auch Bilder, die am Bildrande erkennen lassen, wie chaotisch es damals war.


DIA-Repro 631 mit dem Rabl-Stadel im Hintergrund


DIA-Repro 632 mit der Turnhalle im Rohbau und den diversen Holzblöchern am Spielfeldrand.

Nach der Einstellung des Spielbetriebs und einer Neugründung des Fußballvereins, konnte auch die Platzfrage geregelt werden und der 1. FC Kötzting bekam sein Stadion am Roten Steg.

Der Bleichanger, ein Platz für viele Aufmärsche, Vorführungen und Übungen:

Egal ob Turnverein, Feuerwehr,  Automobilklub, Verkehrsgarten, TÜV-Untersuchungen, Rindviehkörung oder auch Propagandaaufzüge im Dritten Reich oder für die Hitlerjugend, der Bleichanger eignete sich für fast jede Veranstaltung ..... es durfte nur nicht zu sehr regnen und er musste halt immer zuerst ein wenig aufgeräumt werden: Gerade dieser Punkt verursachte immer vor Pfingsten einiges an Schriftverkehr, bis der Platz einigermaßen "holzfrei" gemacht wurde.
Der im Jahre 1862 gegründete Kötztinger Turnverein war viele Jahre lang auf der Suche nach einem Platz zum "Abturnen". Vom Dregerkeller bis hin zum Burggraben ging die Suche, bis die Pläne zum Bau einer Turnhalle Mitte der 20er Jahre endlich reifen konnten.
Hier in bunter Folge Bilder von Veranstaltungen auf dem alten Bleichanger.
Übung der Bezirksfeuerwehr in den dreißiger Jahren.
Die Bezirksfeuerwehr übte für einen Großbrand der neu errichteten Turnhalle:
Foto Josef Barth bzw. Josef Bock- aus der Sammlung Barth







DIA-Repro 2586 Turnerinnen 1933
Foto Krämerarchiv: Das Kötztinger HJ-Fähnlein beim Abmarsch nach einer Übungsstund auf dem Bleichanger.


In der Nachkriegszeit wurde der Platz auch zu Körung der Sprungstiere genutzt.


Photo Josef Barth




Im Jahre 1969 führte der TÜV noch Prüfungen unter freiem Himmel durch.

Im Jahre 1974 war die Situation des ADAC mit seiner Stoßdämpfer Prüfung bereits etwas professioneller.
Vom Stoßdämpfer zur Beleuchtungseinstellung.


Endkundgebung bei einer Bauerndemo im Februar 1972
German Hell Driver im August 1972 
Wertungsfahrt des AC-Kötzting Start und Ziel war der Jahnplatz
 


Volkswandertag des TV_Kötzting, auch hier Start und Ziel die Jahnhalle

Und natürlich unser Volksfest:


Hier ein Zufallsschnappschuss, der sich im Rathaus unter einem Stapel an Bildern auf dem Speichern fand. Vielleicht erkennt jemand den Mann im Hurrikan.... ich schon, kein Wunder.

Um die Schüler für den Straßenverkehr fit zu machen, wurde zu Übungszwecken ein "Verkehrsgarten" auf dem Teerbelag aufgemalt.


Diese Bilderfolge ließe sich noch lange erweitern mit vielen anderen Freiluftveranstaltungen, Zirkusbesuchen und Ausstellungen. 

Doch nun zurück zum Bau der Turnhalle, später die städtische Turnhalle und noch später die Jahnhalle genannt. Der Bau ging in zwei - eigentlich drei - Schritten vor sich.

Gegründet im Jahre ..... hatte der Turnverein Kötzting immer schon begeisterte Anhänger und es gibt zahlreiche Nachweise, dass der Sport auch ununterbrochen ausgeübt wurde und die Kötztinger Sportler an vielen - auch überregionalen - Veranstaltungen teilgenommen hatten.
Im Sommer war der Übungsplatz beim Dregerkeller und im Winter wurde beim Dimpfl in der Metzstraße nicht nur geturnt und geübt, sondern es fanden auch viele Tanzveranstaltungen des Vereins statt, bei denen die Turner mit entsprechenden Einlagen glänzen konnten.
DIA-Repro 3449 der Kötztinger Turnverein in einer Coulage mit dem Gasthaus Dimpfl am Rande und den Turnerübungen unter freiem Himmel.



Bereits im Juli 1924 stellte der Marktrat die Weichen, um am Bleichanger die notwendigen Flächen durch Tausch in seine Hände bekommen zu können.

KA vom Juli 1924

Im Staatsarchiv Landshut befindet sich im Akt der Baunachbesserungen auch eine Art von erstem Entwurf für die Turnhalle, die zunächst wohl sogar in räumlichem Zusammenhang mit einem Flussschwimmbad geplant war.
StA Landshut Rep 164/8 Nr. 3529

StA Landshut Rep 164/8 Nr. 3529

StA Landshut Rep 164/8 Nr. 3529

StA Landshut Rep 164/8 Nr. 3529

Vergleicht man diese Planung mit dem heutigen Zustand, kann man ohne Nachzudenken feststellen, dass die ausgeführte Lösung wesentlich schöner ist, als dieser erste Entwurf.
Es hat den Anschein, also ob der Bau des Turnhalle  1925/26 durch den Turnverein selber in Schieflage gekommen ist und die Reparatur- und anschließenden Fertigstellungsarbeiten 1927 und 1928 nur durch einen finanziellen Kraftakt von Seiten des  Marktes Kötzting erledigt werden konnte.
Die Turnhalle wurde jedenfalls in der ersten Bauphase in den Jahren 1925 und 1926 errichtet und so konnte es bereits am 12. und 13. Juni 1926 zu einer ersten Eröffnung der Kötztinger Turnhalle kommen.


DIA-Repro 3459 Turnbetrieb auf dem Bleichanger vor dem Rohbau der Turnhalle 1925

An Pfingsten - wohl 1926 - kann man die noch unverputzte Turnhalle im Hintergrund der Kranzlvergabe erkennen, wenige Wochen danach kam es zur offiziellen Eröffnung im Rahmen des "Donauwald Gauturnfestes."
DIA-Repro 3679
 

Der Kötztinger Anzeiger, damals noch Kötztings einzige Tageszeitung, bewarb nicht nur vorher diese Großveranstaltung sondern berichtet über mehrere Seiten hinweg - fast in Form einer Sonderausgabe - über das Turnerfest.
Vorbericht mit Programm im Kötztinger Anzeiger Anfang Juni 1926
 
 

DIA-Repro 3455 Plakette anlässlich der Eröffnung der neuerbauten Turnhalle

DIA-Repro 3456 Reckturnen seitlich neben der  - äußerlich fast -  fertiggestellten Turnhalle, vermutlich Teil der Eröffnungsfeier.
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DIA-Repro 1578 Gauturnfest und Turnhalleneröffnungsfeier Juni 1926

DIA-Repro 1577 Hoher Besuch beim Gauturnfest. Der Herr mit dem Zylinder in der Mitte sollte der damalige Bezirksamtmann und der 2. Vorsitzende des Kötztinger Turnvereins Thoma gewesen sein.


 
DIA-Repro 3461: Ein der, wenn die die treibende Kraft hinter dem Turnhallenbau, der
Kötztinger Vorzeigeturner Josef Liebl.

Der Großbericht vom Gauturnfest mit der Einweihung der Turnhalle:



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Die Eröffnung der Halle war bereits im Juni 1926, es musste aber offensichtlich musste anschließend massiv nachgebessert, abgeändert und wohl auch noch fertiggestellt werden.
Zu diesem Zwecke war es am 27.7.1928 zu einer besonderen vertraglichen Vereinbarung gekommen, bei dem zuerst der Besitz der Halle vollständig auf den Markt übertragen und gleichzeitig der uneingeschränkte Nießbrauch - "im Anerkennung seiner zahlenmäßig festgelegten Leistungen für den Turnhallenbau" - der Halle dem Turnverein zugesichert wurde.
Der Markt könne nun die Halle auch anderen Vereinen und Veranstaltern überlassen, verpflichtet sich jedoch auf den Sportbetrieb weitgehend Rücksicht zu nehmen. Dem Turnverein wird weiters noch das Recht eingeräumt für die Bestellung des Hausmeisters "Vorschläge zu machen"
Es geht aus den vorhandenen Akten im Stadtarchiv nicht genau hervor, was in der ersten Bauphase so schief gegangen war, dass die Firma Franz Wanninger in Cham ein viele Seiten langes Angebot zum endgültigen Ausbau (mit einem nicht unerheblichen Anteil an Abbrucharbeiten im Inneren der teilweise fertiggestellten Sporthalle) nachreichen musste.
Gleich in den ersten Positionen des Nachtragsangebotes ist von umfangreichen Abbrucharbeiten der eigentlich nagelneuen Turnhalle die Rede.
 
StA Landshut Rep 164/8 Nr. 3529



"Dies reicht vom Entfernen des alten Fußbodens über den Abbruch des Bühnenpodiums bis hin zum Entfernen von Treppen und Balkonen. Da in späteren Auflagen auch von Brandsicherungsmaßnahmen an der Saaldecke die Rede ist, kann ich nur vermuten, dass sowohl Qualitätsmängel als auch Sicherheitsaspekte eine Rolle gespielt hatten.
Auch die Schlussaufstellung der Kosten des Turnhallenbaus gibt uns nur einen kryptischen Hinweis, als darin vom "bedingten Umbau bzw. Neubau" die Rede ist.




Schaut man sich das Foto aus denselben Akten genauer an, kann man erkennen, dass der Saalboden nur annähernd auf der Hälfte der Fläche verlegt ist.

StA Kötzting 521-4
Auch die noch erhaltenen Baupläne aus der ersten Bauphase zeigen uns einen komplett andere Raumaufteilung als dann später verwirklicht worden ist. Damals war noch eine Treppe innerhalb des Saales eingeplant, die auf eine seitliche Orchestergalerie führen sollte, auch die jeweiligen Toiletten sollte man direkt aus dem Saal heraus betreten können.




Viele weitere Detailzeichnungen des Chamer Bauunternehmers Franz Wanninger haben sich erhalten.
Blick auf die nicht realisierte Ausführung in Richtung auf das heutige Podium gegenüber des Saaleinganges.

Eine Bleistiftzeichnung auf Pergament über die Eingangssituation mit ganz besonderen Lampen und em Emblem über der Tüte.

Ein noch genaueres Detail des Hallenzuganges.

Der nächste Vorschlag mit der Bühne nun im Saal

Das "Turnerzeichen" 

Auch als Festplatz wurde der Bleichanger nun eingeplant und die Skizze im Stadtarchiv zweigt uns nicht nur eine fast herrschaftliche Zufahrt vor dem Gebäude, sondern auch eine gewisse Einteilung für "Fahrgeschäfte".
StA Kötzting 520-1r



Aus der Bauphase der Turnhalle gibt es auch ein schönes Bild aus der Sammlung Voithenleitner-Frank.
Bild: Sammlung Voithenleitner-Frank

Auf dem folgenden Bild der bereits fertiggestellten Turnhalle - wohl um 1930/31 -  kann man noch erkennen, dass der Bleichanger offensichtlich auch noch als Fußballplatz genutzt wurde.


Durch die neuen Besitzverhältnisse wurde die städtische Turnhalle von Anfang an auch für viele "Indoor"-Veranstaltungen ge- und benutzt.
Auch hier wegen der unübersehbaren Vielfalt an Bildmaterial nur einige Beispiele aus mehreren Jahrzehnten.
Zunächst natürlich die Nutzung als Turnhalle, die solange Bestand hatte, bis auf dem Kötztinger Schulberg die neuen und modernen Turnhallen entstanden und der TV-Kötzting seine vielfältigen Aktivitäten dorthin verlagern konnte.
DIA-Repro 2490 das Turnpodest mit den Sportgeräten und dem Holzofen am Rande.



Auch damals gab es bereits Ausstellungen, die unterer dem Deckmantel der Volksaufklärung den schieren Voyeurismus bedienten - ähnlich der "Körperweltenausstellung vor wenigen Jahren -,  so die Ausstellung mit der das Hygienemuseum aus Dresden auf Tournee ging und im Jahre 1931 auch Kötzting erreichte.





Gottfried Wensauer, in Kötzting ein Pionier in vielerlei Hinsicht, stellte in der Turnhalle sein neuestes Projekt aus, ein selbst errichtetes Segelflugzeug.
DIA-Repro 634 das Segelflugzeug in der Turnhalle

DIA-Repro 635 der Schöpfer des Fliegers, Gottfried Wenssauer, rechts.

Das Südostbayerische Städtetheater nahm die Turnhalle Kötzting in die Liste seiner Spielorte auf.
IMG_E9711 Theateraufführung vor vollem Haus
"Jetz red I" Aufzeichnung in der Jahnhalle:

Politische Versammlungen, hier Proteste beim Versuch unserer Bevölkerung die Landkreisgebietsreform schmackhaft zu machen:
KU SW099 im Jahre 1972

Die alljährliche Trophäenschau der Kötztinger Jäger:
Hubertustag Serwuschok656
 
Serwuschok 291, Kinderfasching in der Jahnhalle 1974




Und dann noch die vielen, vielen Bälle, die es früher in Kötzting im Jahresverlauf gegeben hatte:
Einlage beim Chrysanthemen des MGOV 1970: KU SW849

Serwuschok425: Schnauferlball des Kötztinger AC.

Der Feuerwehrball mit Vorstand und Kommandanten die Herren Michl Traurig und Michl Fleischmann

Lehrerfasching ohne Jahresangabe

Serwuschok620 Burschenball 1975 mit dem Burschenvorstand Wolfgang Ludwig und dem
Pfingstbrautpaar des Jahres 1974 Evi Früchtl und Heinz Kolbeck.


Und natürlich der Picassoball des FC- Kötzting
Serwuschok539 Einlage beim Picassoball mit Wolfgang Ludwig, Kellner Max und Willi Pagani im Jahre 1973.



Bereits im Jahre zuvor war ein Artikel in der Zeitung erschienen, in dem die Zukunft der in die Jahre gekommenen Turnhalle diskutierte.


Mit dem Wechsel des Turnvereins von der kleinen Turnhalle in die großen Schulturnhallen war der Weg frei für ein neues Konzept...... aber, des lag auch der Plan eines Abrisses auf dem Tisch, da ja nach der Landkreisgebietsreform und den nachfolgenden Aktivitäten des Zweckverbandes das baufällige Hotel zur Post zu einem modernen Komplex im Haus des Gastes mitsamt einem neuen, großen Saal umgebaut wurde. Sogar ein Abriss der altehrwürdigen Turnhalle war in konkreten Planungen, bevor durch die Energie vieler Kötztinger Bürger eine Privatinitiative zur Rettung der Turnhalle gegründet wurde, die seither bereits sehr viel bewegt hat. Der alte Baukörper behielt seinen Charme; im Innern jedoch wurde Schrittchen für Schrittchen für eine moderne, hygienische und energiesparende Ausstattung gesorgt.