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Donnerstag, 11. Mai 2023

Frau Oberin wird 80 - ein Fackelzug für die Ehrenbürgerin

 Wieder einmal gibt es hier eine schöne Bildfolge aus dem Bestand der Zeitungsredaktion der Kötztinger Umschau, der Dank des Einsatzes von Frau Serwuschok vom Verlag nach Kötzting zurückgeschickt und von ihr gesammelt, später dann dem Arbeitskreis Heimatforschung übereignet wurde und nun im Stadtarchiv Kötzting verwahrt ist.

Da wir zusätzlich auch eine fast vollständige Sammlung von Zeitungsausgaben aus den Nachkriegsjahren in unserem Bestand haben, können viele/manche der Bilder dann auch einzelnen Zeitungsartikeln zugeordnet werden. 
Die Chefin selber, Frau Renate Serwuschok, schoss die Bilder und schrieb den Artikel über die vielen Gratulanten  zum 80. Geburtstag der Kötztinger Ehrenbürgern und "Frau Oberin" Frau Emmerama Glasschröder, Ende August 1974.
Die Bilder des Fackelzugs beweisen eindrücklich, in welche hohen Ansehen diese Kloosterfrau in Kötzting stand.

Man spricht in solchen Fällen gerne von einer "nichtüberschaubaren Menschenmenge"; für Kötztinger
Verhältnisse trifft das sicherlich bei diesem Fackelzug zu Ehren der Jubilarin in hohem Maße zu.

v.l. Emmerama Glasschröder, Evi Früchtl und Heinz Kolbeck, das Pfingstbrautpaar desselben Jahres
und Wolfgang - Gams - Kolbeck für die Feuerwehr Kötzting

v.l. Emmerama Glasschröder, Evi Früchtl und Heinz Kolbeck,

Das damalige Kötztinger Kreiskrankenhaus, heute die Klinik TCM.

Eines der wenigen Bilder, die wir von der früheren Hauskapelle im Krankenhaus haben.
Hier durften/mussten wir Kötztinger Ministranten in den 60er Jahren nicht paarweise sondern einzeln ministrieren. Der Gottesdienst im Krankenhaus begann auch noch eine Viertelstunde früher als der Frühgottesdienst in der Pfarrkirche ABER, anschließend gabs von der Frau Oberin immer ein "Fuffzgerl" als Dankeschön, beim Pfarrer dagegen immer nur einen Kinderpunsch an der Weihnachtsfeier.

Die beiden Bürgermeister, Karl Seidl und Klaus Heiduk als offizielle Gratulanten





Der Bericht aus der Umschau


Der Bericht aus der Kötztinger Zeitung


Freitag, 29. Januar 2021

Carl von Paur - ein Glücksfall für Kötzting

 

Carl von Paur
1804-1873

von 1845 bis 1869 in Kötzting

Ich zögere schon lange, mit meinem Beitrag über Carl von Paur, den letzten Kötztinger Landrichter und gleichzeitig ersten Bezirksamtmann zu beginnen. Schlichtweg, weil ich höchsten Respekt habe vor der Leistung dieses Mannes und es möglicherweise schwierig ist, ihm ganz gerecht zu werden bei den vielen, vielen Maßnahmen, die er verwirklicht bzw. angestoßen hat. 

Carl von Paur
Zuerst die nackten Daten: geboren ist Carl von Paur am 29.06.1804 in Unterbruck in Oberbayern als Sohn des Oberpostamtsrevisors Karl v. Paur. Seine erste Frau, Magdalena, verstirb 1863 im Alter von 52 Jahren in München, wird aber nach Kötzting überführt und findet hier ihre Ruhe am oberen Friedhof. Am 4.10.1866 heiratet Carl von Paur seine zweite Frau, Anna Feierabend, eine Bürgerstochter aus München. Sie ist im Alter von 32, er bereits 62 Jahre alt. Verstorben ist Carl von Paur am 06.12.1873 in Weilheim, als pensionierter Regierungsrat. Die Todesursache war Merasmus= Lungenlähmung.
In den "katholischen" Pfarrmatrikeln von Kötzting ist unter MF 589/S 105 weiters vermerkt:

..altkatholischer Confession. Die Leiche wurde hierher gebracht und im neuerbauten Leichenhause beigesetzt.
Beerdigung 10.12.1873
Beerdigungspriester Max Hort, Studienlehrer und altkatholischer Priester in Straubing nahm die Beerdigung vor, ohne Gottesdienst.
"Dieses war dahier das 1. altkatholische Leichenbegräbnis. Da das Geläut verweigert wurde. ließ das k. Bez. Amt 4 gesperrte Türen aufsprengen und erzwang ds Läuten der Glocken d. Pfarrkirche
[ Eintrag durch Pfarrer Jäger]".

Dieser außergewöhnliche Zusatz bei seinem Sterbeeintrag zeugt von einem angespannten Verhältnis zwischen der Kötztinger kirchlichen und staatlichen Obrigkeit, was hier passiert war, wird das Ende dieses Beitrags zeigen, doch zuerst einmal möchte ich die unzähligen Neuerungen aufführen, die wir Carl von Paur zu verdanken haben, bevor dieser Konflikt gelöst wird. 

Ich möchte hier die Amtszeit und seine Leistungen grundsätzlich sowohl sachlich gliedern aber auch manchmal nur dem Zeitpfeil seiner Amtszeit folgen. 

Das Landgerichtsgebäude


Wir schreiben das Jahr 1845 und Kötzting bekommt einen neuen Landrichter, den vorherigen Landgerichtsassessor Carl von Paur aus Vilshofen, seit 1838 in bayerischen Staatsdiensten. Wie immer in solch einem Fall, muss das Inventar des Amtsgebäudes erstellt werden, und seine Inventurbegehung ist noch erhalten geblieben.
StA Landshut LGäO Nr. 5 von 1846
Mit diesem "Inventar" haben wir eine Beschreibung des heutigen Rathauses aus der Mitte des 19. Jahrhunderts, und es ist interessant, ob, und wenn ja welche, Teile sich in die heutige Zeit - vor allem nach dem Brand vom Dezember 1911 - herübergerettet haben bzw. haben können.
Heilmeier Photos Ansicht des Bezirksamts von vor dem
Totalbrand vom Dezember 1911. 


Schon beim Vorgänger, Landrichter Herrmann, gab es Pläne - und Kostenvoranschläge -, das Gebäudeensemble, das noch seit den Prioratszeiten unverändert geblieben war, an die Bedürfnisse eines Landgerichts anzupassen.
Aus dem Jahre 1835 kennen wir einen "Vorher-Nachher" Entwurf.
StA Landshut Reg v NB KdI Nr. 8306 ab 1837 Baufälle am Landgerichtsgebäude
Oben die Situation bis 1855 unten der Umbau zu Zeiten Carl von Paurs, auch wenn der Plan bereits von 1835 ist, aber erst der Kostenvoranschlag von 1855 ermöglichte den Umbau. 


Im dazugehörigen Lageplan ist ebenfalls die Situation von 1835 festgehalten.

StA Landshut Reg v NB KdI Nr. 8306 

Bei der Amtsübergabe wird auch der Bauzustand des Gebäudes aufgenommen, kleinere Bauschäden muss noch LR Herrmann beseitigen. 
Seine Arbeitssituation beschreibt CvP so:
"Es sind die Amtslokalitäten zu beschränkt, als daß sie zum Dienst genügen könnten, indem nur die Landrichter und I. Assessor jeder ein kleines Kommissionszimmer inne hat, die übrigen Beamten und das ganze Kanzleipersonale aber in der Kanzlei zusammengedrängt sind, wo bei die verschiedenartigsten Verhandlungen der Parteien, abgesehen auch von dem störenden Lärm, von Aufrechterhaltung des Amtsgeheimnisses keine Rede sein könne." 

Selbst über Carl v. Paurs Privaträume (=Dienstwohnung) haben wir eine (Mängel)Beschreibung, die er selber im Jahre 1853 an seine Vorgesetzten schickt, um entweder eine Reduzierung des Mietzinses von jährlich 120 Gulden zu erreichen oder aber bauliche Verbesserungen vornehmen zu dürfen:
...diese Wohnung besteht, nachdem derselbe 2 Wohnzimmer im II. Stockwerke (damals bezeichnete man das Erdgeschoss als den I. Stock)  für die Assessoren, sohin für den Dienst freiwillig abgetreten hat, in 6 Zimmern und 1 Magdkammer. Eine Küche ist nicht vorhanden, sondern ein sogenanntes Kochzimmer, auch keine Garderobe, sondern statt derer der offene Dachbodenraum...
Er spricht von den Fußböden, die ganz ausgetreten und teilweise nicht mehr wegefest sind, den ganz schlechten Fensterrahmen, die keine Verschlüsse mehr halten würden und den schlechten Öfen.
Das mit Legschindeln belegte Dach solle endlich eine Ziegelbedeckung erhalten, vorausgesetzt der Dachstuhl könne die zusätzliche Dachlast überhaupt tragen.

Eine Querfinanzierung von 200 Gulden hatte er sich auch schon ausgedacht, "nämlich jener Betrag der zur baulichen Unterhaltung des Klosters Neukirchen ausgesetzt ist. Dieser Betrag wird nicht mehr zur Verwendung kommen, da durch das Ableben des letzten Klosterpensionisten die Verbindlichkeit der baulichen Unterhaltung des Klosters seitens des k. Staatsaerars hinfällig geworden ist."
Stück für Stück kamen ihm die Behörden entgegen und würdigten seine Vorschläge

In diesem Gebäude nun arbeitete und wohnte der neue Landrichter Carl v. Paur. 
Ein Wort fehlt hier noch, es müsste zusätzlich heißen und "litt" der neue Landrichter.
Im Jahre 1855 beschrieb der Amtsphysikus Dr. Müller die Situation der sanitären Anlagen:
"Nachdem, wie der Unterzeichnete sich heute bey seinem Besuch im k. Landgerichtsgebäude persönlich überzeugt hatte, daß beym  Abtrittsräumen eine furchtbare Cloakenluft mit einem pestilenzischen Gestank entquillt, so stellt er den dringenden Antrag bey dieser Gelegenheit die Desinfektion dieses Abtrittes vernehmen zu lassen."
Den Auftrag erhält der Kötztinger Apotheker.
"Diese Operation muß vor jeder Raumung in Zukunft vorgenommen werden, wenn nicht epidemische Krankheit, besonders Cholera, vom gerichtssitze ausgehen und die Gesundheit des Personals empfindlich Schaden leiden soll. "

Dr. Müller schrieb für den Kötztinger Apotheker auch das Mittel seiner Wahl auf, mit dem dieser den Abtritt und die Wände zu besprühen hatte. 

StA Landshut Reg v NB KdI Nr. 8306 
20 Pfund mineralisches Kupfervitriol (CuSO4) hatte er mit
200 Litern kochendem Wasser zu vermischen

So wohnte und arbeitete man also im Jahre 1845 im Bezirksamt, wie wirds erst in den Privathaushalten ausgesehen und gerochen haben?

Am 14. Oktober 1845 jedenfalls wurde Carl von Paur als neuer Landrichter in Kötzting installiert und steckte von Anfang an mitten drin in der 

Jagd auf den Räuber Heigl. 

Michael Heigl konnte durch eine Mischung aus eigener Schläue, Schlamperei der Beamten und einem schlecht gesicherten Gefängnis kurz vor der bevorstehenden Einlieferung in ein Arbeitshaus im Mai 1843 entwischen und war dann zuerst einmal fast 2 Jahre untergetaucht.   Im Frühjahr 1844 gab zwar es noch ein paar Hinweise auf Heigls Anwesenheit, dann war große Stille um ihn, bis zum November 1845, dann war klar, Heigl ist wieder da. v. Paur musste handeln und eine fast 8 Jahre andauernde Jagd auf den Michael Heigl begann.
Carl von Paur war hier in einer sehr exponierten Situation und konnte sich nicht auf alle Bewohner im Landgericht verlassen:
Wir haben auf der einen Seite mit ihm den Landrichter in Kötzting, dem Mann, der vor der Trennung von Gericht und Verwaltung (die Funktionen als Bezirksamtmann, Amtsrichter, Notar wurden Jahre später auf einzelne Personen und Behörden verteilt) alle Macht (er war auch Chef der Gendarmerie) auf sich vereinigen konnte, aber natürlich dann auch zuerst einmal alle Fehlschläge und Misserfolge zu verantworten hatte.  Auf seiner Seite standen die Gendarmen, welche, je länger und erfolgloser die Jagd war, immer mehr Spott und Hohn ertragen mussten und die wechselweise Unterstützung von abkommandierten Soldaten erhielten. Weiter auf seiner Seite standen wohl die Kötztinger besitzenden Bürger und die wohlhabenden Bauern in der Umgebung. Schon nicht mehr so sicher konnte sich der Landrichter der Unterstützung der vielen Gemeindevorsteher sein, auch wenn deren Widerstand gegen das Landgericht eher im Unterlassen bestand, was dann mit Geldauflagen dann doch langsam gebrochen werden konnte. 

Eher eindeutig auf der Seite Heigls stand aber die schier unübersehbar große Zahl an Kleinsthäuslern und  Inwohnern, welche zusätzlich gerne auch noch ihre Unterkünfte an den Waldrand erbauten, wobei man sich den Wald und dessen Rand nicht so vorstellen darf, wie er sich heutzutage zeigt. Die Wälder bestanden zum großen Teil, vor allem an den sehr breiten Rändern aus „Birkenbergen“, also einem Laubholz/Sträucher Mischwald, der sich zum Einhüten, zum Streuerechen und natürlich gut zum Verstecken eignete. Wälder im heutigen Sinne, damals Schwarzholz genannt, gab es nur ein einem viel geringeren Maße als heutzutage, dann auch nur in den höheren Lagen.


Hier der Beginn der umfangreichen Heiglschen Akten in Tabellenform, zusammengestellt für den Ortsbesuch des königlichen Regierungsassessors Christoph in der Endphase der Suche nach Michael Heigl.

Summarische Übersicht
der polizeilichen Verfügungen des
königlichen Landgerichts Kötzting
 seit Ende des Jahres 1845
bezüglich der Verhaftung des flüchtigen Verbrechers
 Michael Heigl von Beckendorf
und der Beseitigung seines Anhangs.

Präs. der k. Regierungscommissar
Regierungsassessor Christoph 




17.11.1845

Gendarmerieanzeige:  Verhaftung des Josef Dobmeier von Watzlhof der Verbindung mit Heigl verdächtig und wegen Müßiggangs angezeigt. War mit Heigl im Wirtshaus zu Thenning zusammen mit Josef Schuderer von Thenning.
beide wurden verhaftet: 
Strafe Dobmeier  18 Tage im Gefängnis und 15 Rutenstreiche Schuderer 10 Rutenstreiche im Berufungswege erlassen aber sofort für 4 Monate ins Arbeitshaus

13.11.1845

Michael Fechter ledig aus Gotzendorf des Umgangs mit Heigl dringend verdächtigt
Strafe: muss sich innerhalb von 8 Tage um eine Bauernsarbeit annehmen bei Vermeidung körperlicher Züchtigung

15.11.1845

Gendarmerieanzeige:  Heigl war am 12.11.im Wirtshaus zu Thenning , trank, aß und ließ sich aufspielen  durch die Musiker Wolfgang und Franz Brandl von Ansdorf
Strafe: Wirt Geiger 5 fl.  und in die Kosten des Beschlusses verurteilt, den beiden Musikern wurden die Patente entzogen und 3 Tage in Arrest

17.12.1845

Suche unter Leitung von durch Carl von Paur :  von 2-8 Uhr früh mit Gendarmerie, Forstpersonal und Gerichtsdiener, Suche nach den Schlupfwinkeln in den Gemeinden: Gotzendorf, Arndorf, Grafenwiesen und Ansdorf
Erfolg: erfolglos

Das heißt, bereits kurz nach seinem Amtsantritt durfte sich Carl von Paur zum ersten Male eine Nacht  um die Ohren schlagen, und mit vielen Personen zusammen Streife gehen und Häuser durchsuchen. 

Schon sehr schnell musste sich der Landrichter Gedanken darüber machen, woran es denn liegen könnte, dass sie - die Behörden - trotz höchstem Aufwand nicht in der Lage waren, des flüchtigen Heigls habhaft zu werden. 

Hier die Originalkarte aus den Räuber Heigl Akten, die Carl von Paur benutzte, um seinen 
vorgesetzten Behörden immer wieder die Schwierigkeiten bei der Jagd auf den Heigl zu verdeutlichen.
Paur schilderte unsere Waldgegend in den schlimmsten Farben und vor allem die weit heruntergezogenen Waldränder mit den dorthinaus "gebauten Inhäuseln" stellte er als eine der Hauptursachen der Fehlversuche heraus. Um dies zu verdeutlichen griff er, bzw. einer seiner Untergebenen, zum Bleistift und zeichnete in die Karte hinein die "wirklichen" Waldränder...


Hier ein willkürlicher Detailausschnitt aus der obigen Karte mit dem, durch
Bleistiftstriche besonders betonten, finsteren Waldsaum. 

Carl v. Paur muss sich natürlich gegenüber seinen vorgesetzten Behörden erklären, warum es noch nicht möglich war, den flüchtigen Verbrecher Heigl wieder zu erwischen und führt dabei die, für ihn, wesentlichen Schwierigkeiten an: (12.11.1846)

1. das Gelände:

"…dass das Gerichtsbezirk mit sehr hohen Bergen und vielen großen zusammenhängenden Waldungen durchzogen für den Kontrolldienst insbesondere im Winter bei der sehr tiefen Schneelage einer der beschwerlichsten Bezirke im Kreise ist. Dieses so ungünstige Terrain Verhältnis erschwert den Sicherheitsdienst wesentlich und, macht es dem arbeitsscheu und diebischen Gesindel möglich sich der Aufsicht zu entziehen, und so allein nur ist es erklärbar, dass sich Diebe und Verbrecher als namentlich Michael Heigl von Beckendorf und Josef Pongratz, vulgo Maulaffenhiesl, von Kager, 5 Jahre lang größtenteils im Freien halten und dem Aufgriffe sich entziehen konnten. Derlei Gesindel bewohnt Höhlen und Schluchten auf den Waldbergen, die nicht leicht auf findig und schwer zugänglich sind."

2. Das Problem der viel zu vielen Inwohner - Inleute im LG Kötzting

"Es wurden im heurigen Sommer und erst jüngst wieder solche Schlupfwinkel auf dem Hohenbogen von der k. Gendarmerie entdeckt und zerstört. Ferner ist ein großer Teil der jüngeren Bevölkerung namentlich die Söhne der Inwohner den Winter über beschäftigungslos, da die Bauern dieser Gegend, nur sehr wenige ausgenommen, keine Dienstboten halten und ihre ökonomischen Arbeiten größten Teils durch die Inleute verrichten lassen. Die Söhne dieser Inleute fuhren den Sommer über im Flachlande Verdienst als Ökonomietaglöhner, oder sie arbeiten bei Eisenbahn und Festungsbauten und kehren im Spätherbst in die Heimat zurück, in der Regel ohne Ersparnis, und leben zudem von unsicherem Erwerbe. Die vielen Inwohner sind ein wesentliches Hindernis der Sicherheit, da sie die Diebereyen durch Diebshehlerei oder Verschleppung gestohlener Effekten begünstigen."

3. Die Grenznähe und der damit mögliche Schmuggel

"Weiters ist zu berücksichtigen, dass das Landgericht einer größten Ausdehnung nach an die böhmische Grenze anliegt, an welcher der sehr demoralisierende Schmuggelhandel bei Tag und Nacht betrieben wird, der viele Einwohner, namentlich rüstige Burschen, vom ehrlichen Verdienste ab und zu einer vagierenden Lebensweise hinzieht. "

4. Die Angst der Bevölkerung und der Gemeindevorsteher (15.5.1847)

"Auf Ermahnung und Zurredestellung der Gemeindevorsteher hört man: Verrat ist gleich einem Totschlage, wer wird diesen auf sein Gewissen nehmen wollen - oder die Flüchtlinge sind keine Raubmörder oder Brandstifter - oder wer wird sie verraten wollen, wenn sie nach kurzer Zeit wieder entlassen, Rache an denjenigen üben werden, die zu ihrem Aufgriffe beigetragen haben und dergl. "

Diesen letzten Punkt - die Unterstützung durch Teile der Bevölkerung hervorgerufen durch eine Mischung aus Kumpanei, blanker Existenznot und/oder Angst stellt er in vielen, vielen Briefen an Landshut (Polizeibehörde) und München (Regierung) immer wieder heraus und die Bevölkerung der betroffenen Dörfer im Umkreis Kötztings kommt in seiner Beurteilung gar nicht gut weg, auch wenn er die Ursachen von deren Benehmen durchaus erkennt. 

"Diese Gesinnung ( es geht um die Unterstützung Heigls und mangelnde Hilfsbereitschaft gegenüber den Behörden durch Teile der Bevölkerung) ist naheliegend, da der größte Teil der Bevölkerung an bayerisch-böhmischer Grenze Erwerb durch Schwürzen sucht, ein Übel das so alt ist wie die Grenze zwischen Bayern und Österreich und wohl auch solange die Zollverhältnisse bestehen und dieser Erwerb mit einigem gewinn verbunden ist, nicht wird ausgerottet werden können.
Nebenbei herrscht Armut, die jedes Mittel erlaubt findet, wenn nur das Leben gefristet wird, erzeugt teils durch Arbeitsunlust teils durch unverschuldeten Mangel an Arbeit und Verdienst, aber auch Liederlichkeit und Gewinnsucht unter den ledigen Leuten in Hohem Grade.
Heigl und Pongratz und alle mehr oder minder gleichen Geleichters finden daher die der so gearteten Bevölkerung Schutz und Hilfe."

Die Details in den Akten über die Suche nach dem flüchtigen Michael Heigl sind bei weitem zu umfangreich, um hier Platz zu finden, hier nur noch ein paar Details. Heigl fühlt wohl bereits den Verfolgungsdruck durch v. Paur und so findet sich in den Heiglakten unter dem 4.6.1847 folgende Notiz: "Soll Heigl den Landrichter v. Paur nebst Praktikanten gegen Blaibach zufahrend gesehen und geäußert haben, er wolle ihm den Weg vertreten: Untersuchungen bestätigten den Vorfall und die Drohung durch 2 Zeugen"

Nach langen Jahren der Fehlschläge, unzähligen Patrouillengängen, Hausdurchsuchungen, Errichtung von Gendarmerieposzten auf den Dörfern auf Kosten der Bevölkerung und entsprechenden Ermahnungen und Belehrungen der Gemeindeoberen, konnte Heigl am 17.6.1853 dann endlich in der Nähe von Hudlach, nach heftiger Gegenwehr und schwerbewaffnet, festgenommen werden und ins Kötztinger Gefängnis eingeliefert werden.
Der Brigadier Suffa, der maßgeblich die, nun endlich erfolgreiche, Suche organisierte, beschrieb in seinem Bericht den Aufgriff Heigls und endete diesen: "Der flüchtige Heigl führte einen Doppelstutzen, eine scharf geladene sehr schöne Pistole, mehrere Schussapparate und einige böhmische Arbeitszeugnisse von der Eisenbahnstation Marburg und Ponigl bei sich. An barem Gelde besaß er 19 fl. 46 xr. 1 he. 
Die Arretierung erfolgte früh morgens zwischen 7.00 und 8.00 Uhr und wurde der Verhaftete nebst seiner Zuhälterin Theres Pritzl von Gotzendorf, mittags gegen 11 Uhr durch den geh. Unterzeichneten in Begleitung einiger bewaffneter Bauern in die Landgerichtsfronfeste zu Kötzting eingeliefert, sofort dem Pfleggericht Kötzting unter Überlieferung der Effekte Rapport erstattet und dem k. Comp Commando wie 2. Dist. Com. gleiche Meldung erstattet".

Original des Telegramms an den bayerischen Gendarmeriechef
Freiherr von Gumppenberg in München:
Hauptmann Frays (Distrikskommando in Landshut) beehrt sich 
mitzuteilen, daß Heigl in Ktz arretiert wurde.
Bayr Hauptstaatsarchiv  München Gend_KK-316




Nun war Heigl zwar verhaftet, aber die "Fronfeste" - sprich das Gefängnis - in Kötzting war nicht gerade für seine Ausbruchssicherheit bekannt und Carl von Paur wird wohl einige schlaflose Nächte durchlitten haben. Viele, lange Wochen blieb Michael Heigl zuerst noch in Kötzting inhaftiert und dann kam auch noch ein Gerücht dazu, es gäbe Bestrebungen, Heigl zu befreien. Die Gendarmerie in Kötzting reagierte darauf:

"Es hat heimlich unter der Station das Gerücht verbreitet, dass der Heigl demnächst von hier fort und in sicheren Arrest komme. Heute früh wurde in einem Stadel, welcher an noch zwei angebaut ist und in einem derselben angeblich sich 7 Zentner Pulver aufbewahrt befinden Brandstiftungsstoff aufgefunden welcher in abgewichener Nacht gelegt worden war. Diese Städel und die Fronveste sind blos durch eine Straße respektive einen Fahrtweg getrennt. Es ist daher genügend Grund gegeben annehmen zu dürfen, dass dieser Brand für Heigls Befreiung gelten sollte.  Ferners steht zu vermuten, weil ihnen dieses nicht gelungen, dem Gendarmerieposten allenfalls zu überfallen.
Denn Heigls Freiheit ist nach meiner nur unmaßgeblichen Ansicht für viele in der Gegend dringendes Bedürfnis.
Geho Unterzeichneter beschrenkt sich mit seiner Mannschaft auf dieses Hin blos auf Ortschaftsnachtspatrouillen und Postenstehen beim Heigl"

Das ist die Situation hinter dem Kötztinger Gefängnis, wo es in einem der Feldscheunen wohl den Versuch einer Brandstiftung gegeben hat, während Heigl im Gefängnis angekettet lag. Auch hatte der Händler Windorfer dort sein Schwarzpulverlager. 
Zeichnung von Mathias Heilmeier, ca. um 1897.



Die Kötztinger Polizisten  - v. Paur war ihr Chef - beschränkten sich in ihrer Arbeit also nur noch darauf den Heigl und das örtliche Umfeld Tag und Nacht zu bewachen. 

Er selber berichtet am 10.8.1853 an die Regierung:

"Die strengste Überwachung des Heigl in der Fronfeste wird auf das Pünktlichste fortgesetzt, und ist dessen Flucht bei der starken Fesselung nicht möglich, auch verhält sich derselbe ganz ruhig. Und hat dem Aufsichtspersonal noch zu keiner Beschwerde Anlass gegeben. Dessen Ablieferung nach Straubing und die hierauf bezüglichen Anordnungen werden so geheim als möglich gehalten und erst Tags vor dem Vollzuge dem Gendarmerie Brigadier bekannt gegeben werden.
Übrigens sind die benötigten Maßregeln zur Verhütung von Sicherheitsstörungen zunächst durch vermehrten Patrouillendienst der kgl Gendarmerie im Markte Kötzting bis weiters auch die sogenannte Stillwache /: zur Nachtzeit:/ angeordnet, die vorzugsweise die Umgebung der Fronfeste im Auge zu behalten hat. Von irgend einer Äußerung aus der unteren Volksklasse welche auf eine besondere Teilnahme am Schicksale des Heigl schließen lassen konnte bisher nichts erforscht werden, vielmehr ist die Stimmung allgemein dahin gerichtet, dass man froh ist, dass Heigl in sicherem Verwahrsam sich befindet.

Carl von Paur"

Am 2. September 1853 ist es dann soweit, endlich gibt Straubing grünes Licht für die Überstellung - das Gefängnis dort war überfüllt - und Heigl kann schwer bewacht und gefesselt nach Straubing überstellt werden und Carl von Paur wird ein Stein vom Herzen gefallen sein.
Brigadier Suffa berichtet dies ganz detailliert an sein Distrikts Kommando:

 Der Unterzeichnete meldet gehorsamts, dass am gestrigen früh 4 Uhr der Inquisit Michl Heigl von Beckendorf k. Landgericht Kötzting durch Unterzeichneten und den Gendarmen Pledl, Joseph Wieser, Ludwig Sewald, Jakob Nußhard und Kilian Maier vom k. Landgerichte Kötzting zum Transport direkt nach Straubing auf ½ Vorspannwagen übernommen und abends 4 Uhr in die k. Landgerichts Fronfeste zu Straubing mit dem Springer und einer Fußschelle in der Keuche angeschlossen dem k. Kreis- und Stadtgerichte Straubing übergeben wurde.

Der Polizeisoldat Sebastian Überreiter von Kötzting schloss sich freiwillig dem Transporte an.
Die in Kötzting kommandierten Gendarmen wurden Georg Pledl  nach Jandelbrunn, Joseph Wieser nach Osterhofen, Jakob Nußhaeder nach Deggendorf auf ihre Stationen von Straubing aus am heutigen 7. Uhr vorschriftsmäßig abgeschickt…..


Doch gehen wir kurz zurück ins Frühjahr 1853, als die Regierung endgültig die Geduld bei dieser misslichen Angelegenheit verlor und eine hochrangige Regierungskommission nach Kötzting schickte.
Natürlich stand Carl von Paur die ganzen Jahre in einem gewissen Erklärungsnotstand, natürlich hatte er gute Argumente, weshalb Heigl noch nicht gefasst werden konnte aber ebenfalls natürlich, war er der Hauptverantwortliche vor Ort und musste auch für Fehlschläge gerade stehen.
In alle den Berichten in den Jahren zuvor wurde er persönlich und seine Arbeit  von den unterschiedlichsten Dienststellen gelobt und hervorgehoben, trotzdem fühlte sich angesichts des Besuches der Regierungskommission der königliche Rentbeamte Haertl veranlasst, die Verdienste Paurs besonders herauszustellen und zusammenzufassen.
Doch der Reihe nach
Seit dem 9. März 1853 war die Kommission vor Ort und für den 12.3. wurde eine große Versammlung im Saal des Schrankschen Gasthauses (heutzutage Hotel zur Post) einberufen zu der sämtliche Gemeindevorsteher, Gemeindebevollmächtigte und Gemeindediener des ganzen Landgerichts Kötzting
zu erscheinen hatten. Neben Carl von Paur natürlich auch alle königlichen Beamten, der Gerichtsarzt Dr. Müller (Saumüller siehe Häuserchronik alte Hausnummer 2 ehemalige Backerei Liebl)
Regierungsassessor hielt eine sehr lange und ausführliche Rede - im Original erhalten - und machte den anwesenden Gemeidevorstehern eindrücklich die - finanziellen und rechtlichen - Konsequenzen klar, wenn es diesmal nicht endlich zu einem Aufgriffe Heigls kommen sollte.
Nach der Ansprache ließ der Assessor zwei Unterschriftenlisten im Saale verteilen und jeder der Teilnehmer musste - so er konnte, ansonsten eben ein Kreuzchen - unterschreiben.
StA Landshut Rep 168-1 Nr. 63944-III 
Die Unterschriften von v.Paur, Haertl und Dr. Müller

Im Protokoll für diese Versammlung steht dann weiterhin:

Die Vorsteher wurden von ihrem Landrichter aufgefordert laut und vernehmlich zu erklären, ob sie dem Gesetze eine Folge leisten, ob sie mitwirken wollen, alle möglichen Maßregeln, welche zur Verhaftung des Verbrechers getroffen werden, auszuführen und es wurde von den Vorstehern einstimmig und laut auf die an sie gestellte Fragen mit „JA“ geantwortet. Es wird bemerkt, dass die ganze Versammlung sichtlich im Innersten bewegt war und dass sich bei dem größten Teil der Anwesenden Tränen in den Augen zeigten
 
Nun konnte ja dann nichts mehr schiefgehen und siehe da, 10 Wochen später war Heigl gefangen.
Wenn die Kommission nun mal schon vor Ort war, nutzte der k. Rentbeamte Härtl, quasi die Nr. 2 im Landgericht, die Gelegenheit, um seinen Chef ins richtige Licht zu rücken, der ja schwer unter Druck geraten war.
Auch er geht noch einmal auf die besonderen Schwierigkeiten ein, die das Landgericht Kötzting mit seinen Inleuten kennzeichneten:

Auch die Struktur der „sogenannten hinausgebauten Häuseln“ (nicht Häusler! sondern Häuser für Inwohner) sei etwas, was man eigentlich nur hier finden würde. Die Inwohner sind idR verheiratete Familien, die bei dem Bauern einen kleinen Fleck Grund haben und bei dem selben gegen Lohn von 4-6 Kreuzer und Kost im Taglohn arbeiten, übrigens selbst wieder völlig besitzlose Personen, ledige Weibspersonen mit Kindern bei sich haben, welche Umstände das Vorhandensein eines ordentlichen Dienstbotenstandes völlig verdrängen.
Solche Personen, die in Masse zu einem einzigen Hof gehören, bilden eine förmliche unzerreissliche Kette, welche durchaus nichts angeben und ihren Bauern mehr fürchten als die Behörden und die Gendarmerie, während ordentliche Dienstboten wegen der freistehenden Aufkündzeit viel unabhängiger seien.
Diese Inwohner und Afterinwohner befinden sich in s.g. Inhäuseln und hinausgebauten Häuseln….

Nicht gerade gut weg kommen große Teile der Bewohner des Landkreises mit folgender Charakterbeschreibung:

Bei der Armut, dem Elend und der Abhängigkeit dieser Inwohner, welche weitaus die Mehrheit des Amtsbezirkes bilden, dabei dem völligen Mangel an gesetzlichem Sinn und einer völligen Abgestumpftheit für alles Bessere, zugleich der Herrschaft großen Aberglaubens und großer Leichtgläubigkeit bedarf es keiner ferneren Erläuterung dass ein Mensch, wie Heigl, von allen Seiten Unterstützung zu hoffen und zu genießen hat

Dann aber kommt er auf die Verdienste v. Paurs zu sprechen - zur Erinnerung, wir sind im Jahre 1853, erst 8 Jahre nach v. Paurs Dienstantritt. 

Es müsste auch sein Feind zugestehen, dass er in der Administration das Vorzüglichste leistet, überall Tätigkeit entwickelt und Wohltätigkeit verbreitet.

Verdächtige Wirtshäuser wurden geschlossen – verdächtige Personen abgeliefert, welche aber von höherer Stelle mangels Raum in der Anstalt – vor Errichtung des Zwangsarbeitshauses zu Ebrach – wieder freigelassen wurde.
Bei jeder Versammlung würde Carl von Paur seine eindringlichen Warnungen an die Gemeinden kommunizieren und er habe:

1.      Ein Distriktskrankenhaus ins Leben gerufen
 Einen Distriktsarmenfond hervorgerufen
 Den Kornverein gegen die Not gegründet
 Den Verein für verwahrloste Kinder gegründet
 Sich stets für Alleen und Maulbeerpflanzungen bemüht
 Die Anlage des Ludwigsturms und des Berges mit Baumpflanzungen hervorgerufen
 Eine Sparkasse dahir errichtet

8.     Und noch sehr viel derlei gewirkt mit umfassender Tätigkeit und Umsicht, bedacht für Alles Gute und bei all dem hier in Frage stehenden besonderen Gelegenheiten möglichst unter Beiziehung der Schuljugend.
Seit neustem kommt ein landwirtschaftlicher Verein hinzu, kurz,
Kötzting habe Carl von Paur für Alles Gute zu danken, was es gegenwärtig besitzt

Carl von Paurs Tätigkeit habe also mittelbare (durch die Behebung von Missständen und Belehrung)  und unmittelbare Folgen für die Jagd auf Heigl.


So, nun haben wir schon einmal eine Liste an Kötztinger Neuerungen, die auf Initiativen Carl von Paurs zurückgehen. 


Das Distriktskrankenhaus

Bereits gut ein Monat nach seinem Dienstantritt - November 1845 -  findet sich ein Sitzungsprotokoll des Distrikts=Armenpflege unter seinem Vorsitz 
StA Landshut RegvNB KdI 18711

§ 5

Beschluss des Ausschusses über die Frage, ob nicht örtliche Krankenpflege bezüglich auf transportable Kranke in einem distriktigen, am Sitze des Gerichtsarztes zu errichtenden, Krankenpflege zu errichten sei.


Kötzting hatte ja bereits im angekauften Ecklshof ein lokales Hirt=Armen und Krankenhaus in Besitz.
Der Distrikt (=Landgericht, heute Altlandkreis Kötzting, allerdings ohne die Marktgemeinden, die ihre Kranken in ihren eigenen - lokalen - Krankenhäusern versorgen wollten) würde mit 500 Gulden für Umbauten bereitstehen und hebt den Vorteil des vorhandenen Gebäudes hervor:



3. Dagegen würde dem Distriksarmenfond die freie Benutzung der drei herzustellenden Krankenzimmer mit Boden und der Garten behufs der Ergehung der Kranken ohne weitere Reichnisse (Mietkosten) an den Magistrat zu stehen ....









In einem Begleitschreiben für die Errichtung oben genannten Krankenhauses beschreibt Dr. Müller, der Amtsphysikus, die Situation und die Behandlung kranker Menschen im Landgericht Kötzting mit drastischen Worten: Nicht selten sind es der Dachboden, dumpfige feuchte Kammern und feuchte Gewölbe, wo der  armen Kranken der Kälte, der Zugluft und selbst oft dem Regen in eine elende Decke gehüllt, oft gar nur in Stroh, seine Leiden nur vermehrt. Keine Curis - kein heilsamer Schweiß ist möglich - die Abtritte sind weit genug entfernt und unter freien Himmel geben nur Anlaß zu Erkältungen, Verschlimmerungen und Rückfälle der Krankheit. .... 

Dieses erste Distriktskrankenhaus wurde nach dem Ankauf  und folgendem Umbau des Gschwandhofes in das neue Krankenhaus, das Kötztinger Armenhaus, welches als solches bis weit in die 60er Jahre das 20. Jahrhunderts Verwendung fand




Die Frontansicht, mit einer geänderten Treppenführung, kenne ich noch aus meiner Kindheit.









Im hier als II. Stock bezeichneten Geschoß, zu erreichen an der Frontseite über die Treppe, befinden sich 2 größere Krankenzimmer für die Kötztinger Kranken und ein kleines Kämmerchen als Distriktskrankenzimmer. Die restlichen beiden Zimmer auf der linken Seite sind dem Krankenwärter vorbehalten.






Ebenerdig von der anderen Seite  (Schattenauseite) zugängig ist rechts eine Wohnung einer armen Gemeindeangehörigen und links die Wohnung des Gemeindehirten. Direkt im Flur befindet sich angelehnt an eine Stallwand die Holzlege. 










Eine seltsame statistische Berechnung findet sich in der Jahresbilanz 1846/1847 des Krankenhauses aus der Hand des Dr. Müller. (Daraus ergibt sich unter anderem, dass das Krankenhaus wohl ausschließlich von armen Kranken benutzt/genutzt worden ist.



Die Kosten des allgemeinen Krankenhauses in Kötzting für das Jahr 1846/47

Nach der Zahl der conscribirten Armen des k. Landgerichts Kötzting zu 180 kommen durchschnittlich auf 10 Arme 2 Kranke
Es stellt sich daher ein Etat von 36 Kranken heraus

/Diese Annahme gilt nur für diejenigen Jahre, wo die gewöhnlichen aber keine epidemischen Krankheiten herrschen/

Von diesen 36 Kranken bedarf durchschnittlich jeder Kranke bis zur Heilung 24 Tage = 864 Tage 

Jeder Kranke kostet täglich 30 Kreuzer
Jeder Kranke kostet also im Ganzen 12 Gulden. =432 fl



Hierbei ist nicht miteinbegriffen                               
a. der Chirurg                                                          50 fl
b. die Wärterin                                                         50 fl
                                                                             -----------
                                                                                 532 Gulden

Aus dem Jahre 1846 kennen wir eine Inventarliste der Gegenstände, die das Lokalkrankenhaus verzeichnet hatte und finden dort unter anderem 5 wollen Decken auch 5 neue und 2 alte Strohsäcke, 16 Handtücher, 9 Polsterbezüge und 11 Leintücher für 7 vorhandene Betten.  Das Wechseln der Bezüge und der Betten war sicherlich schwierig unter diesen Bedingungen, wenn alle Betten belegt waren. 
Aber immerhin hatten sie bereits eine Badewanne. Der Distrikt  wollte diese Bedingungen, nun als regionales Krankenhaus, aber verbessern, denn um 1851 gab es einen Plan zur Erbauung eines Back - Wasch und Badhauses für das neue Distriktskrankenhaus. 
StALa Rep 164-8 Nr. 535 



Im ersten Jahresbericht  - verfasst von Dr. Müller am Ende des Jahres 1847 - ist ausdrücklich erwähnt, dass am 1. Januar 1847 das Distriktskrankenhaus, nach erfolgtem Neubau, erfolgreich eröffnet worden ist. Weiter heißt es dort: " Wenn nun auch anfangs diese Anstalt nur für die Conscribirten Armen des Distrikts und Local Armenpflege bestimmt war, so überzeugte der gestattete Besuch des neuen Krankenhauses bald jedermann, dass dieses in seiner jetzigen Einrichtung ganz anders dasteht als wie früher. Die größte Reinlichkeit in jeder Beziehung, die  Fornituren , ganz neu geschaffte Decken und Wäsche, die strengst Absonderung in einem eigens dazu bestimmten Saal derjenigen Kranken, welche ekelhafte oder ansteckende Krankheiten haben, und welche sogar, um alle Gefahren der Verbreitung zu verhindern unter Schloß und Riegel gehalten werden, der sehr ehrenhafte und rechtliche Charakter der aufgenommenen Krankenwärter=Familie, von welcher das sehr fleißige reinliche Eheweib eine sehr gute Köchin ist und endlich die herrliche gesunde ganz zweckmässige Lage des Hauses, umgeben mit einem sich allmählig schon verschönernden Garten, der sich sogar bald eines laufenden Wassers zu erfreuen haben wird /: einer Hauptsache in einer Krankenanstalt:/ "
Es ist die Rede davon, sich ein "Instrumentarion chirurgicum" anzuschaffen und es kommt zu einer ersten Auswertung der Belegungszahlen:
14 Kranke wurden im Jahre 1847 aufgenommen, von denen 1 verstarb und noch ein weiterer wegen Ungehorsams frühzeitig entlassen worden war. Acht Menschen wurden geheilt, bei zweien kam es zumindest zu einer Verbesserung ihrer Situation und zwei befänden sich noch in Behandlung.
In der Abteilung I (innere Kranke) wurden behandelt: 3 an Nervenfieber (Typhus) 2 an Blutbrechen, 2 an Stropheln und 2 an Lues venera. Die Sterberate von 8:1 sei "Gewiss eine sehr günstige"
In der Abteilung II, der Chirurgie, ist erwähnt, dass dem Kranken, der seit Jahren an einem schmerzhaften Beinfraß litt, der Fuß mithilfe von "Schufeläther" nicht nur schmerzfrei amputiert werden, sondern der Patient auch bereits nach 6 Wochen, "völlig geheilt, mit einem zweckmässigen hölzernen Bein versehen, in blühender Gesundheit die Anstalt verließ, um sich in die Lehre zu einem Seiler zu begeben."
Einschub:
Lt. Wikipedia kam es im März 1842 nachweislich zu einer ersten Äthernarkose. Die erste Operation unter Äthernarkose ist für den Oktober 1846 dokumentiert. Da ist es schon sehr verwunderlich, - und ein Zeichen, wie nahe das Kötztinger Krankenhaus damals am Puls der Wissenschaft lag, dass im jahre 1847 in Kötzting bereits Äther bei einer Amputation eingesetzt werden konnte. 
Einschub Ende





Mit der "Umwidmung" des Lokal- in ein Distriktskrankenhaus finden sich in der Inventarliste plötzlich auch ganz neue Inhalte:
StALa Rep 164-8 Nr. 535 
Der kgl. Landrichter Herr v. Paur überwachte(?) 71 Bände Gebeth- und Erbauungsbücher welche derselbe durch die Neujahrs Geschenke der Kötztinger Marktsbewohner anschafte anher....

Offensichtlich erhielt der damalige Landrichter regelmäßig zu Neujahr Geldgeschenke von den Kötztingern, interessant....
An medizinischen Gerätschaften erkaufte das Krankenhaus vom Instrumentenbauer Artbauer von Deggendorf:
I. Abduktion Apparat   (Abspreizung ?)
II. Verband Apparat
III. Trepanat Apparat    ( Trepanierbohrer zur Schädelöffnung)
IV. Impulation Apparat (nichts gefunden)
V: Schwefel Aether Apparat

Im Jahresbericht 1854/55 wird die soziale Herkunft der Kranken aufgedröselt und dort wird sichtbar, wie wichtig der - im folgenden Kapitel - Dienstbotenheilsverein für das Krankenhaus gewesen war und umgekehrt.
Von den 39 stationär behandelten Kranken waren 33 Dienstboten, Gesellen oder Lehrlinge, 2 sogenannte "conskribierte Ortsarme des Marktes" und 4 solche von den Landgemeinden. 
Der statistische Blick auf die zurückliegenden 8 1/2 Jahre zeigt eine Sterblichkeitsrate von 1 zu 22.
Ein genauerer Blick auf die statistischen Zahlen seit der Eröffnung bringt die Marktgemeinde Kötzting aber in Probleme. Dr. Müller kann belegen, dass der Markt Kötzting zwar nur 1/15 zum Budget des Krankenhauses beitrage, aber 4/5 aller Kranken dem Markte zuzuordnen sind.  
Eine Ofenskizze: ein Kachelofen zum Heizen und zum Wassererhitzen im
Krankenhaus. StALa Rep 164-8 Nr. 535 




Bereits in den 60er Jahren - also lange vor Ende seiner Amtszeit - war es für die Verantwortlichen bereits klar zu erkennen, dass das kleine Häuschen am Ortsrand von Kötzting nicht für die Bedürfnisse eines Distriktskrankenhauses ausreichend wäre, und so kam es zu ersten Überlegungen für einen Neubau. 
StALa Rep 164-8 Nr. 535 

In dieser Liste steht der Auszug des "Frequenz=Journals" mit den Aufgenommenen Kranken in den Jahren 1860-1867. Die durchschnittliche Verweildauer eines Kranken in diesem Zeitraum war 11 1/2 Verpflegungstage. (15 Jahre zuvor war die durchschnittliche Belegungsdauer pro Kranken noch bei 24 Tagen gelegen.)
Zwar fiel die Entscheidung für den Ankauf des viel größeren Gschwandhofes und den Umbau in ein neues Krankenhaus erst in der Amtszeit seines Nachfolgers Dandl, aber die ersten Schritte wurden noch unter CvP gemacht.
Hier nur ein paar Varianten, die damals offensichtlich diskutiert worden waren, das Ganze erinnert ein wenig an die Große Standortdebatte in Kötzting in den 70er Jahren, als es dann erneut um einen Neubau des Kreiskrankenhauses ging und die einen den Ludwigsberg und die anderen den Standort an der Schmidmarter bevorzugten, ein heißes Thema im Wahlkampf und bei Faschingsumzügen. 
StALa Rep 164-8 Nr. 535 
Variante 1, dort steht nun das BRK Alterheim

StALa Rep 164-8 Nr. 535 
Variante 2 nun der Parkplatz des Hallenbades
StALa Rep 164-8 Nr. 535 
Fassade des Krankenhauses Variante 2 am heutigen Spitalplatz


Eine dritte Variante wurde dann verwirklicht (Ankauf und Umbau des Gschwandhofes), vermutlich war ein Umbau billiger als ein Neubau. Aber alle drei Standorte hatten ein gemeinsames Merkmal, dass sie auszeichnete: Es gab für alle drei eine gute und zuverlässige Zugänglichkeit für Trinkwasser. Der Spitalplatz hatte einen ausreichenden Grundwasserstand, der Gschwandhof als Teil des Gesamtkomplexes der Brauerei beim Hotel zur Post, einen eigenen grundbuchmäßig gesicherten Hauswasseranschluss und der Platz an der Hauserstraße lag direkt neben einem der besten Kötztinger Quellbrunnen, dem Linkenseugen.(Siehe Häuserchronik 10-12)
Nach dem Umzug des Krankenhauses in den Gschwandhof, wurde der frühere Ecklshof dann zum Kötztinger Armenhaus heruntergestuft. 



nachkoloriertes Bild des Kötztinger Armenhauses aus den 60er Jahren. Heutzutage ein Privatgarten in der Schattenau Nr. 2, kurz vor dem Abriss



Der Armenfond und die Dienstbotenversicherung


Als Ergänzung bzw. als eine Erweiterung des Kreises der Betroffenen, die eine Aufnahme im Distriktskrankenhaus finden könnten, ist die Errichtung eines Dienstbotenvereins anzusehen. 
In einem, Patent genannten, Rundschreiben an alle beteiligten Landgemeinden beschreibt Carl von Paur die Notwendigkeit, für die verarmten Kranken des Distrikts ein Krankenhaus vorzuhalten und dieses auch für die "Dienstboten und Gesellen" zu öffnen. 
Einschub:
Hintergrund dieser, für uns heutzutage selbstverständlichen allgemeinen, Fürsorge ist das Prinzip des Heimatrechtes. Der Ort, in dem eine Person das sogenannte Heimatrecht hatte, war für die "soziale" Absicherung zuständig. Ein Dienstbote im Ort A, selbst aber aus dem Ort B stammend, konnte im Krankheitsfalle von dem Ort seiner Arbeitsstelle keinerlei Unterstützung erhalten. 
Einschub Ende
Der durchschnittliche Tagessatz im Krankenhaus lag, siehe oben, bei 30 Kreuzer. Von Paur schreibt weiter: Rep 164/8 Nr. 535
"Da nun aber diese Leistung für die Mehrzahl der Dienstbothen unerschwinglich wäre, ist zur Erleichterung der dienenden Klasse mit der Anstalt (= das Krankenhaus) ein Versicherungsverein - Dienstbothen=Heil=Verein - in Verbindung gebracht, in welchen sich jeder Dienstbothe Geselle oder Lehrjunge auf dem Lande oder in den Märkhten mit einem Beitrag von wöchentlich Einem Kreuzer d:i: jährlich 52 freiwillig einkaufen kann, wogegen ihm im krankheitsfalle die unentgeltliche ärztliche Hilfe, Kost, und Warth und Pflege bis zur Wiedergenesung in der Anstalt zu Theil wird."
Das Bezirksamt legt nun in dem "Patent" fest, dass jede Gemeinde diese "Durchführungsverordnung"  abzuschreiben und zu verkündigen habe und fordert im Rücklauf die Unterschrift sämtlicher Gemeindeverantwortlichen.
Zukünftig sind "die Armen der ersten und zweiten Kathegorie im Erkrankungsfalle in das Krankenhaus abzustellen" und sind die "Dienstboten, Gesellen und Lehrjungen von Haus zu Haus (!) zum beitritt in den Dienstboten=Heils=Verein aufzufordern". Diejenigen, welche nicht beitreten wollten, seien namentlich aufzulisten und binnen 14 Tagen ans Landgericht rück zu melden. 
Rücklaufunterschriftenliste der angeschriebenen Landgemeinden. 
Rep 164/8 Nr. 535


Dieses erste erfolgreiche "Großprojekt" Carl von Paurs blieb nicht unbemerkt und so erhielten er und sein "Mitstreiter" Dr. Müller im Februar 1847 eine Belobigung von Seiten der niederbayerischen Regierung. Dort heißt es über die gemeinsamen Anstrengungen: aus dieser Tätigkeit sind nun auch schon die ersten erfreulichen Früchte hervorgegangen, indem eine Distrikts=Kranken=Pflege in Kötzting bereits wirklich ins Leben gerufen ist.
"Indem dem k. Amtsvorstande sowie dem k. Gerichtsarzte Dr. Müller hirfür die besondere Anerkennung der unterfertigten Stelle ausgedrückt wird, zweifelt die unterfertigte Stelle keinen Augenblick, dass es dem k. Landgerichtsvorstande gelingen wird durch ernsthaftes Bemühen mit diesem Wohltätigkeits=Institute auch einen zur Förderung dieses Institutes sowie zur Wohlfahrt der einzelnen Betheiligten so nothwendigen Sicherungs=Verein unter den Dienstboten, gesellen und Lehrlingen in den benachbarten Gemeinden mit möglichster Teilnahme ins Leben zu rufen. "
Auch in Kötzting arbeiten viele Dienstboten und auch dort hatte man der Aufforderung von Paurs zu folgen, von Haus zu Haus zu gehen, und die Dienstboten zum Eintritt in den Verein zu ermuntern.
Rep 164/8 Nr. 535

Dieses Vorgehen - von Haus zu Haus - zeigt sich auch in der Namensabfolge in der Liste, hier ein Beispiel gleich am Anfang:
Rep 164/8 Nr. 535

Die Liste enthält ja nur die "Angestellten", die auch in dem Verein beigetreten sind.
Natürlich konnte auch Dr. Müller - gleich der erste in der Liste - seine beiden Dienstboten von den Vorzügen des neuen Vereins überzeugen. Hausnummer 2. Den nächsten Erfolg hatten die "Umgeher" dann beim Leboid, damals in Besitz des Joseph Wanninger. Johann Münsterer (mit einem teilnehmende Bäckergesellen) war der Bäcker auf der heutigen Marktstraße 30 und der Dienstknecht  des Georg Rötzer (Marktstraße 28) hatte nur einen Vornamen.
Weiter gings hinein in die Metzstraße zum Dimpfl (Metzger und Wirt) und zum Kasparovsky (früher ein Hafner am rechten Ende der heutigen Metzstraße). Danach waren sie beim Bäcker Mühlbauer (Bäckerei Graßl) erfolgreich. Man sieht, wie selbst solche Listen auch bei der Bestätigung mancher, manchmal noch wackeliger,  Besitzernachweise hilfreich sein können. 
Bei insgesamt 98 Dienstboten war diese Werbung erfolgreich, sicherlich nur ein geringer Teil der Kötztinger dienstbaren Geister, aber ein Anfang war gemacht. 
Wie oben bereits erwähnt, ist die Gründung des Dienstbotenvereins nicht von der Errichtung des Krankenhauses zu trennen und so findet sich auch im positiven Jahresbericht des Krankenhauses auch der Hinweis, dass die erfolgreiche Eröffnung desselben Auswirkungen auf die Bereitschaft der Dienstboten hatte, dem neuen Verein beizutreten. Auch wenn, selbst nach Aufforderung durch den Landrichter, einige Landgemeinden noch recht hartleibig waren, ihre Dienstboten zum Beitritt aufzufordern.
Ausdrücklich erwähnt der Jahresbericht auch die Bemühungen des Kötztinger Pfarrers Henneberger, welcher "begüterte Kranke" zu "Geschenken und Legaten" an den Fond zu überreden pflegte. 
Diese erste Sozialversicherung soll natürlich erweitert werden und so soll (1861) eine Unterstützungskasse für "erwebsbeschränkte und erwerbsunfähige Dienstboten" entstehen, quasi eine Arbeitsunfähigkeits-  bzw. Rentenversicherung. Nach längerer Beratung im Magistrat entscheidet dieser, der neuen Kasse nicht beizutreten. (AA IX/31). Nochmal appelliert von Paur an den Markt und schließlich sind einige Dienstboten bereit der Kasse beizutreten, worauf  der Markt sich darauf einlässt und 1862 die ersten Beiträge abschickt.
Im Jahr drauf muss der Beitrag erhöht (sprich verdoppelt von 4 kr auf 8 kr monatlich, je nach Verdienst, = 5 halbe Bier) werden. Wenn sich Dienstboten weigern sollten zu zahlen, dann solle der Dienstherr dazu verpflichtet sein. Lehrlinge, die keinen Lohn beziehen, sollen einfach nicht mehr aufgenommen werden.
In dieses Kapitel, seiner sozialen Kompetenz, gehören sicherlich auch die nächsten beiden Beispiele, auch als Hinweis, dass er nicht jeden Widerstand gegen seine Vorhaben brechen konnte, manche aber dann doch....
Stadtarchiv Bad Kötzting  AA II/23-113: 1861 und 62 versuchte er, um den Kapitalstock bei der Landarmenpflege zu erhöhen, die Einführung von Pflichtbeiträgen bei Ansässigmachungen und Verehelichungen zugunsten des Armenfonds durchzusetzen. Seine direkten Vorgesetzten genehmigen zwar das Vorhaben, die Regierung aber lehnt ab, ein Gesuch beim König bleibt unbeantwortet.
1864: Es geht wieder einmal um die Frage des Heimatrechtes (im Endeffekt gehts darum wer bezahlen soll/muss: Gaßner Josef war wegen eines Unfalles lange Zeit in einem Kuraufenthalt und von seinem deponierten Geld wurde die Kosten abgezogen - nun ist er mittellos geworden. Der Magistrat weigert sich vehement ihn aufzunehmen. Regierungsrat v Paur verfügt kurz und schmerzlos: der völlig abgerissene und mittellose Gaßner ist Bürger von Kötzting und der Armenfond soll ihm Kleidung Unterkunft und Essen gewähren.





Der Kornverein


Von Herrn Silberbauer aus Rimbach (Gwasch), der in vieler Mühe die Druckschriften des 19. Jahrhunderts ausgewertet hat, habe ich drei  Artikel über den Kötztinger Kornverein erhalten, die eigentlich bereits alles aussagen.
Der "Volksbote für den Bürger und Landmann" schreibt im Jahre 1852 folgendes Lobenswertes über unseren Carl von Paur:
bayr. Staatsbibliothek: 4 Eph.pol.42-1852

Wenige Wochen vorher bereits beschwerten sich Chamer Bürger in einem Schreiben an die Redaktion über die Zwangsabgaben zum Eisenbahnbau und schlugen darin der Regierung vor sie sollten auch Geld für den Ankauf von Getreide zurücklegen und sich dabei ein Beispiel an Kötzting nehmen: " Da loben wir uns den Herrn Landrichtern von Kötzting, der hat für seinen Bezirk herrlich gesorgt. Im verein mit mehrern wohlhabenden Bürgern hat dieser edle Mann großen Vorrath an Korn gekauft und dadurch der Armuth, die nun um einen geringen preis ihren bedarf bezieht, das Elend einer in Aussicht stehenden Noth erspart. (Hut ab vor solch braven beamten! sagt der Volksbot) "
Carl von Paur selbst beschrieb die Entstehung, die Details und die Erfolgsbeschichte im März 1853 in einem zweiseitigen Artikel für die Landshuter Zeitung. 

Landshuter Zeitung Nr. 68 vom 20.3.1853 



Hier noch einmal der Schlusssatz Carl von Paurs, welcher sicherlich für viele seiner Aktivitäten stehen kann: "Mag auch Mancher über unser Unternehmen lächeln, wir sehen der Zukunft in Ruhe entgegen, und vertrauen auf einen höheren beistand, der nie ausbleibt, wenn man vorerst das Seinige gethan hat. Kötzting, 4. Nov. 1852 Paur."

der Landwirtschaftsverein 


1810 als Landwirtschaftlicher Verein in Bayern gegründet, -  dieser richtete am 14.10.1811 das erste Zentrale Landwirtschaftsfest in München aus woraus sich später das Oktoberfest entwickelte - schlossen sich diesem Zentralverband im Laufe der Jahre weitere lokale Zweigvereine an. In den zwanziger Jahren etablierte sich ein landwirtschaftliches Fest für Niederbayern in Straubing und Kötzting stellte schon Jahre vor von Paurs Antritt in Kötzting einen Antrag auf Beitritt zum Zentralverband.
Aus den Jahren 1854 und 1857 haben wir im Stadtarchiv die Festprogramme eines lokalen landwirtschaftlichen Vereinsfestes. Von Paur schreibt an die umliegenden Gemeinden. Angesichts des gering gezeigten Interesses, weigert sich von Paur das Fest auszurichten. In einer "Unterschriftenaktion" bitten einige Bürger um eine jährliche Abhaltung, weil die Auszeichnung langjähriger Dienstboten für diese ein Ansporn sei. Nach Für und Wieder wird das Fest genehmigt. Im Jahre 1857 verbindet Paur das Fest mit der Baumanpflanzung an seinem Lieblingsprojekt, dem Ludwigsberg, doch dazu später.  
Es hat den Anschein, als ob die landwirtschaftlichen Feste wegen ihres Volksfestcharakters zur Unterhaltung der Bevölkerung nicht gerade oberste Priorität bei von Paur gehabt hätten. 
Schon bei den ersten Genehmigungsakten, die uns erhalten geblieben sind, geht es um die Regularien zur Aufstellung eines Glückshafens, also eines Losverkaufsstandes. 
Rep 164/8 Nr. 2949 Landwirtschaftsfest
..gewährt seine Majestät der König dem landwirtschaftlichen Filialverein zu Kötzting für die Auslosung von Kälbern dann für die Aufstellung eines Glückshafens, während des vom 20ten bis 22ten l. Monats (September) stattfindenden landwirtschaftlichen Festes die nachgesuchte Stempelbefreiung der Lose
1861 fand nachweislich erneut solch ein Fest in Kötzting statt. Nach 3-jähriger Pause sollte dann 1864 erneut ein landwirtschaftliches Fest mit Glückshafen veranstaltet werden. Erneut erfolgte der Antrag an die Regierung, diese genehmigte unter der Bedingung, dass keine Losmanipulationen stattfinden dürfen und, dass der Überschuss für wohltätige Zwecke reserviert sein müsse, z B. für die Unterstützungskasse für arbeitsunfähige landwirtschaftliche Dienstboten. Auch legte die Regierung die Stückelung der Preise fest.
Beim Fest im Jahre 1869 soll der Gewinn an die Freiwillige Feuerwehr gehen, deren Gründung im Jahre 1863 auch auf von Paur zurückgeht, doch davon später. 
Im  Bezirksamtsblatt von 1863 sind die auch die Ergebnisse der Neuwahlen des Landwirtschaftlichen Vereins veröffentlicht:  
Landwirtschaftliche Neuwahlen betreffend: 
Comitee-Mitglieder sind
Paur v. Karl,
Linsmayer J  Rentbeamter 
Wunder K, Bezirkstierarzt 
Hafenbrädl v E Frhr, Privatier und Grundbeistzer
Dirmayer K Oekonom
Schrank Jg Gutsbesitzer 
ein Who-is-Who der Kötztinger Großgrundbesitzer und Beamten.
Apropos Bezirksamtsblatt: Das 

Amtsblatt für den Landgerichtsbezirk Kötzting 


wurde bereits 1855 von Carl von Paur eingeführt, welches "nebst amtlichen Ausschreibungen auch gemeinnützige Mitteilungen über Gewerbe und Landwirtschaft" enthielt. Carl von Paur war damit gewissermaßen auch Journalist und Verleger. Sein Amtsblatt schien ihm geeignet, den Gedanken des Fortschrittes  in breite Bevölkerungskreise zu tragen.(Kötzting 1085-1985 S 238)
Anhand des Namenswechsels bei diesem Presseorgan und ebenfalls der Anrede Carl von Paurs sehen wir, dass wir an einer verwaltungstechnischen Nahtstelle stehen.


Die Neuordnung der Verwaltung


Aus dem Amtsblatt für den Landgerichtsbezirk wird im Jahre 1862 das Bezirksamtsblatt und aus dem (letzten Kötzting) Landrichter Carl v. Paur der (erste Kötztinger) Bezirksamtmann. Es kommt zu einer Trennung von Justiz und Verwaltung und jetzt erst entstehen die, aus dem Fernsehen als bayerisches Klischee bekannten, "königlich bayerischen Amtsgerichte. Kötzting wurde ein eigener Kriminalbezirk und erhielt einen Untersuchungsrichter. 

Der Straßenbau:


In seiner eigenen Marktchronik (entstanden nach seiner Pensionierung ab 1871) beschreibt er die Straßenanbindung:
"...noch lange blieben die Gewerbe nur lokal, theils wegen des Zunftzwanges, theils aber wil eine Gewerbs- und Geschäftsverbindung mit den größeren Nachbarsorten bey dem schlechten Zustand dr Verbindungswege nicht leicht möglich war. Der Verkehr nach auswärts war damals - in den ersten Jahren des gegenwärtigen (19.) Jahrhunderts - auf den Viehhandel, auf die Getreide Hin- und Herfuhr nach und von Straubing und auf ein nothdürftiges Bothenfuhrwerk dahin beschränkt. Die amtliche und Privatkorrespondenz wurde wöchentlich 2 bis 3 mal durch eine Briefböthin zur Post nach Cham getragen."

Natürlich ist der Distriktswegebau und deren Pflege eine Standardaufgabe seines Amtes, trotzdem kann man diese Anforderungen gerade mal so machen, oder energisch anpacken und nachfassen, wie es einmal die Art von Carl von Paur war: 
Hier nun einige Beispiele, die auch ein Schlaglicht auf den Zustand der öffentlichen Straßen werfen:
1849-1851: Die Distriktstraße von Kötzting nach Bodenmais über Arnbruck durch das sog. Zellertal soll verbessert werden, vor allem die Straßenstrecke am Gruberbach bei Bürger Hamberger und der Witwe Tauschek muss um drei Schuh erhöht werden, weil dieses Teilstück soviel tiefer als der Bach liegt und immer Straße voll Wasser ist. AA VI/65 1849-51
1851: Die Problemstelle am Gruberbach ist immer noch nicht endgültig repariert, das Wasser steht noch immer auf der Straße.  Im Juni 1851 werden vom Steinbruch Blaibach Teile eines Durchlasses bestellt, welche durch "Spannfron" hergefahren werden müssen. Nun wird abschließend der Vollzug der Straßenerhöhung gemeldet, was von Paur persönlich sehen möchte. Sein Urteil: Sehr schlechter Zustand. 
1854:  Die Straße am Gruberbach steht immer noch Wasser, nichts ist geschehen.
1856:  Straßenausbesserungen der Straßen nach Eschlkam und Bodenmais
Der Straßenteil am "Dampfbachbrückerl" ist herrenlos, niemanden zugeteilt, und ist in einem sehr herabgekommenen Zustand. Der Kötztinger Magistrat meldet: "Brückerl ist repariert, erledigt".  Nun aber beauftragt Landrichter v Paur den Fuhrmann Werner damit Beschüttungsmaterial zu fahren und auch noch 2 Taglöhner auf Kosten der Gemeinde abzustellen.
28. Mai 1856:  Die Verlegung des Postkurses von Regen über Bodenmais nach Kötzting ist davon abhängig, dass die Kötztinger die Strecke bis Sindorf in Stand bringen.--
Juni 1856 Die Straße zwischen den Brücken (heute die eine große Regenbrücke) schlecht, 12 Klafter Bruchsteine liegen am Ludwigsberg bereit, um die Straße aufzufüllen. Es stehen aber keine Gespanne zur Verfügung, daher muss  mit "Trollkarren" (=Mistschubkarren)  gefahren werden und das geht sehr langsam und wird sehr teuer. Der Landrichter bestimmt wieder 8 Taglöhner zu Arbeit und den Fuhrmann Werner. AA VI/68
1858 - 1860 Landrichter v. Paur bemüht sich ständig die Straßenverhältnisse zu verbessern und schreibt an den Magistrat ohne Unterlass. Er beauftragt auch Handlanger, Hilfsarbeiter und Fuhrleute auf Kosten des Magistrats und der Anlieger. (AA VI/73  Straßenreparaturen )
Mehrere Schreiben vom Landrichter v. Paur und Assessor Fischhold über schlechte Straßenstrecken im Distrikt. Vor allem über den Zustand der Straße Kötzting-Lederdorn-Chamerau kommen viele Beschwerden. Nun aber werden die Arbeiten vergeben zu einem Kostenvoranschlag von fast 3750 Gulden. 
Heilmeier 039 ungefähr aus dem Jahre 1900
Straße von Gehstorf nach Kötzting Standpunkt ungefähr bei der Firma Plötz bzw. Iglhaut

Schaut man sich diese "Distriktsstraße" und den Belag an, so möchte man nur ungern in einer wackeligen Kutsche dort hinunterzuckeln.....

1864:  Die Straßenausbesserung an der Fronfeste. (Heutzutage vom Innenhof der TCM-Klinik bis zur  Haaskreuzung.  Von August bis November 1864 versucht Bezirksamtmann Paur die Auffüllungsarbeiten zu beschleunigen, die seiner Meinung nach nur "schläfrig" betrieben werden. Es geht um den Straßenabschnitt vom Garten der Fronfeste bis zum Schlosser Haas. (AA VI/24 1864)

Doch nun weiter zu einer Herzensangelegenheit Carl von Paurs:


Der  Ludwigsturm


Die Geschichte des Kötztinger Ludwigsberges mit seinem Ludwigsturm ist bereits im Rahmen der Kötztinger Schilderaktion ausführlich beschrieben und dieser Blogeintrag kann über folgenden link 

Der Ludwigsberg mit dem Ludwigsturm : Vom Galgenberg zum Naherholungsgebiet und Volksfestplatz

leicht erreicht werden.
Hier daher nur die Eckdaten: 
1849 erbat der Landrichter Carl von Paur vom Magistrat die Erlaubnis auf dem märktischen Galgenberg "in loyalster Gesinnung ein "Denkzeichen der Dankbarkeit an Kaiser Ludwig den Bayern" auf seine eigenen Kosten errichten zu dürfen. Noch im selben Jahr wurde mit dem Bau begonnen und am 31.10.1851 wurde der Turm feierlich eingeweiht. Es war aber nicht nur das Gebäude, auch die Umgebung sollte ein Aussehen erhalten, dass dem Platz und dem Denkmal gerecht werden konnte. Paur plante zusammen mit den Kötztinger Lehrern eine Bepflanzung des für ihn schönsten Ausflugsfleckchens weit und Breit.
Hier mit eigenen Worten aus seiner Chronik:
"Es waren etwelche 50 Schulkinder anwesend, von welchen die Meisten Bäumchen, gezieret mit weiß-blauen Bändern, in den Händen trugen, auch mehrere der erwachsenen Personen trugen junge Bäume auf den Schultern zum Einpflanzen bestimmt. Am Platze angekommen begrüßte der k. Landrichter die Anwesenden in einer kurzen Ansprache, in welchem er als den Zweck der Erbauung des Thurms hervorhob, daß der Bau geführt worden sey in rein patriotoischen Gefühle für den größten Fürsten aus dem erlauchten Hause Wittelsbach, Kaiser Ludwig den Bayer, der Beschützer Deutschlands und Bayerns, dem besonders auch dem Markte Kötzting durch Bestätigung und Erneuerung seiner alten Privilegien Wohltaten erwiesen hat, die zu seinem Gedeihen und Aufblühen so wesentlich beytrugen, daß die Marktgemeinde ihm zum immerwährenden Dank verpflichtet ist, ferner daß durch die vorhabende Baumpflanzung der Sinn für die Baumkultur angeregt und die Marktgemeinde aufgemuntert werde, die umher liegende Ödung aufzuforsten und nutzbringend zu machen, auch soll das Ganze beytragen das landschaftliche Bild der Umgegend zu verschönern: denn wer seine Heimat lieb hat, wünscht auch, dass sie schön sei, endlich wurde unter allseitiger Zustimmung ausgesprochen, daß von nun an und für immer die Berghöhe der "Ludwigsberg" und der Thurm der Ludwigsturm benannt werde.
Die Ansprache schloß mit einem allgemeinen Hoch auf Se. Majestät den geliebten König Max II."

Der Ludwigsberg konnte nun auch als Platz und Bühne für Vereinsfeste dienen, vor allem die oben angesprochenen Landwirtschaftlichen Vereinsfeste mit ihrem Rahmenprogramm eigneten sich hervorragend dafür, dort oben zu feiern:
Aus dem Jahre 1856 kennen wir dann bereits das erste "Volksfest" auf dem Platz vor dem Ludwigsturm. Der Anlass war ein landwirtschaftliches Distriktsfest, mit Preisverleihung, Glückshafen, Festschießen und Volksbelustigungen am 24. und 25. August. Am zweiten Tage, gleichzeitig auch dem "Geburts und Namensfest Sr Majestät des Königs" gab es dann neben einem erneuten Festschießen auch "Gesangsproduktionen" der Schullehrer und abends dann eine Beleuchtung des Ludwigsturms zusammen mit einem Feuerwerk.
So wie wir heutzutage unser Volksfest als Teil unserer Pfingstfeierlichkeiten kennen (seit 1949), so war es in den früheren Zeiten das landwirtschaftliche Zentralfest, das als Rahmen für ein Volksfest dienen musste.
Auch 1857 treffen sich die Kötztinger wieder am Ludwigsturm zum Scheibenschießen und zur "Volksbelustigung". In diesem Jahre aber wurde noch eine Erweiterung gemacht:
Wie  oben bereits angemerkt, soll hier für den Ludwigsberg nur der zeitliche Rahmen dargestellt werden, Ausführlicheres und Genaueres hier unter:
Nach seinem Tode wird Carl von Paur eine ansehnliche Summe für seine Ludwigsbergstiftung als Legat anweisen. Unter anderem auch daran erkennt man gut, wie wichtig ihm diese malerische Anhöhe vor den Toren Kötztings gewesen ist. Durch Inflation und Währungsumstellung ist der Wert der Stiftung zusammengeschmolzen und der Fonds schließlich aufgelöst worden.   (StadtA Kötzting  914/4)



Der große Marktbrand von 1867 


Ähnlich verhält es sich mit der großen Katastrophe Kötztings, die Carl von Paur bewältigen musste, denn auch dieses Thema ist bereits in einem Blogbeitrag ausführlich erörtert worden und braucht deshalb hier nur einfach verlinkt zu werden:
Am 3. Juni 1867, nur eine Woche vor dem Pfingstfest, ist fast die Hälfte aller Kötztinger Anwesen und Nebengebäude Kötztings in einer einzigen Nacht in Schutt und Asche gelegt worden. Carl von Paur und seinen Beamten blieb es überlassen, in vielen Verhören und Untersuchungen die Brandursache und den Brandhergang zu rekonstruieren .
Auch hier der link:  Der große Marktbrand von 1867 


Freiwillige Feuerwehr Kötzting



In der Sitzung des Kötztinger Marktrates vom 26.9.1863 wird festgestellt, es würde die Gründung einer Freiwilligen Feuerwehr begrüßt und für dringend notwendig erachtet wird....."allein es hat sich niemand herbeigelassen."  Die Situation in Kötzting spitzt sich zu, da deren bisherige "Feuerwehr" eigentlich nur aus dem Apotheker Braun besteht, dem schlichtweg die Stelle als "Oberbefehlshaber der Löschmannschaft sämtlicher Feuerspritzen" aufs Auge gedrückt bekommen hatte und nun von Pontius zu Pilatus schreibt, um von diesem Posten wieder zurücktreten zu dürfen. Ihm zur Seite stehen ein paar wenige Kötztinger, die allerdings Forderungen an den Magistrat stellen. Die Regierung und das Bezirksamt müssen sich mit deren Eingaben befassen. Hintergrund ist wohl, dass Braun eine gute/bessere Wasserreserve erzwingen will und der Magistrat da aus Kostengründen nicht mitzieht. Das Innenministerium spricht von Zwangsverpflichtung des Apothekers Braun und seiner Mitkonsorten.  
Die Fronten sind unverändert, im Juli 1864 lässt der Apotheker Braun bei Carl von Paur eine Anzeige protokollieren: der Magistrat habe im Geheimen eine kleine Freiwillige Feuerwehrmannschaft gebildet und diese, ohne ihn und die Mitglieder der (wohl regulären) Feuermannschaft davon in Kenntnis zu setzten, abends zu einer geheimen "Probiererei der Feuerspritzen" zusammengerufen. Braun bittet den Bezirksamtmann diese "Probiererey der Feuerspritzen nicht vor sich gehen zu lassen".  
...daß die auf heute abends angesetzte Probirung der Feuerspritzen und sonstige Feuerwehrübungen bis auf weitere Anordnung zu verbleiben haben
Bezirksamt Kötzting Paur

Der Magistrat weist die Beschwerden Brauns zurück und berichtet an das Bezirksamt. Durch die Zwangsverpflichtung von Seiten der Regierung sei damit der Apotheker Braun automatisch von seiner Oberbefehlshaberstelle entbunden worden und es wurde von der Regierung geraten, dass ein "freiwilliges Feuerwehrinstitut" errichtet werde.  Die Versuche Brauns eine Feuerwehr zusammen mit dem Turnverein  - wo er ebenfalls der Vorstand sei - zu errichten, seien gescheitert. 
Diesem noch ein Jahr Zeit zu lassen sei Zeitverschwendung und viele würden aussagen unter seinem Kommando nicht zur Feuerwehr gehen zu wollen. 
Deshalb habe man einen eigenen Versuch gestartet und sofort haben sich 25 Bürgerssöhne bereit erklärt, eine Freiwillige Feuerwehr zu bilden.
Die neue Truppe stellte aber auch Bedingungen:
1. Keine Kosten
2. Nie in den Turnverein einverleibt. 
3. Nie unter dem Kommando des Turnvereins stehen
4. Sie wählen ihren eigenen Kommandanten
5. Sie zahlen keinen Monatsbeitrag (wie der Turnverein)
6. Sie üben nur an den Geräten
7. Die Proben dürfen nie künstlich sondern nur praktisch sein.
Der Magistrat bittet das Bezirksamt wieder in seine Rechte eingesetzt und dass der "Apotheker" mit seiner Eingabe abgewiesen werde.
Keine Antwort ist auch eine Antwort, dachte sich der Magistrat und kündigte eine Woche nach seinem Schreiben eine Übung an.
Es geht noch ein paar Schriftstücke hin und her, bei denen wohl Braun die besseren Argumente hat, der Markt aber am längeren Hebel sitzt und lapidar dem Bezirksamt mitteilt, in deren Auftrag vom August des Vorjahres, im August diesen (1864) Jahres eine Freiwillige Feuerwehr gegründet zu haben, weshalb man nun die Verhandlungen als beendet ansähe und die Akten "gehorsamst" vorgelegt werden.
Von Paur saß zwischen allen Stühlen, da die Kontrahenten ihre Eingaben gleich bei der Regierung vortrugen. Zu von Paurs Zeiten hatten die Kötztinger eine Freiwillige Feuerwehr, die übte und eine Pflichtfeuerwehr (dem Turnverein näherliegend), die nicht durfte, aber die besseren Kontakte nach oben hatte.
Unter von Paurs Nachfolger BZMann Dandl kam es dann im Dezember 1869 zu folgendem Magistratsbeschluss:
Wird auf erstatteten mündlichen Vortrag einstimmig beschlossen, "es sei neben der freiwilligen Feuerwehr eine Pflichtfeuerwehr vom Magistrate zu errichten".
Kötzting hatte also ab dem Jahre 1869 zuerst einmal zwei Feuerwehren.
Stadtarchiv Bad Kötzting/Archivalien digitalisiert/Personen/Silberbauer



Josephsverein


Bereits im Jahre 1852 kam es  - erneut auf Veranlassung durch den Landrichter - zur Gründung eines Vereins zur "Rettung armer verwahrloster Kinder im Landgerichtsbezirke Kötzting" genannt St. Josephspflege. 
Rep 164/8 Nr. 3082

Die Kinder, um die sich der Verein kümmern wollte, mussten mindestens 6 Jahre alt sein und die Erziehung sollte die gesamte Zeit der "Werktagsschulpflicht" umfassen. Das Vereinsjahr war das Jahr Josephi, "es beginnt am 19. März bis zum 18. März des folgenden Jahres".
Der Verein wollte die Kindern bei "rechtschaffenden Familien" unterbringen.
Unter den ersten Kindern, die von der neuen Fürsorge betroffen sind, sind die Kinder Michael Heigls mit seiner ersten "Freundin" Anna Maria Gruber: Sta Landshut RegvNB KdI Nr. 63944 die Räuber Heigl Akten
Das Landgericht Kötzting schreibt im November 1852 an die Regierung:
......Weitere polizeiliche Arretierungen werden noch vorgenommen werden und darunter jene des Wolfgang Heigl (zweiter Bruder des Flüchtlings) die man bisher aus dem Grunde unterließ, da man hoffte bei Ihnen desselben eher als anderswo habhaft zu werden.
Auch die drei Buben des Michael Heigl:
Michael 16 Jahre alt
Christoph 13 Jahre alt und
Georg zehn Jahre alt,
Die sich bei ihrer Mutter, der ledigen Weibsperson Anna Maria Gruber in Reitenberg aufhalten, wird man zu detinieren veranlasst werden, da sie im Verdacht stehen, dem Vater Nahrungsmittel zuzuschleppen, und hat man wegen Unterbringung dieser drei verwahrlosten Kinder, da sie hierorts aus Furcht vor dem Vater niemand annehmen will, nach Auswärts Korrespondenz eröffnet.
und Tage später: 
Bericht des königlichen Landgerichts Kötzting vom 30. November 1852 und die königliche Regierung Nieder Bayern:
Nachträglich zum ug Berichte vom 21. des Monats wird in Ehrerbietung angezeigt, dass man zwei Buben des flüchtigen Verbrechers Michael Heigl, namens Christoph 13 Jahre alt und Georg zehn Jahre alt, der Mutter, der ledigen Weibsperson Anna Maria Gruber in Reitenberg, abgenommen, und durch Vermittlung des hierorts bestehenden Vereins zur Rettung armer verwahrloster Kinder bei ordentlichen Pflegeeltern untergebracht hat, nämlich den Christoph Heigl als Lehrjungen bei dem Schäffler Meister Kaspar Schaffer dahier und den Georg Heigl bei den Hausbesitzer und Obstler Wilhelm Denkscherz, ebenfalls hierorts.
Für den älteren Buben Michael Heigl, dessen Hinwegname von der Mutter ebenfalls im Interesse der öffentlichen Sicherheit geboten erscheint, konnte ein Verpflegort noch nicht ermittelt werden – es wird dies aber auch noch hoffentlich in kürzester Zeit möglich werden. Bis weiteres wird derselbe strengstens überwacht.

In den Statuten ist auch festgelegt, nach welchen Vorgaben die Zieheltern ihre Zöglinge zu erziehen hatten.
Rep 164/8 Nr. 3082

 
Der im Sommer 1852 gegründete Verein, ließ sich seine Satzungen von der Regierung genehmigen und brachte sie zwei Jahre drauf sogar als kleines Druckerzeugnis heraus, die soziale Initiative hatte sich also bewährt und konnte in die Zukunft fortgeschrieben werden.

Rep 164/8 Nr. 3082

Aus diesen Anfängen der Sozialfürsorge wurde Jahre später das Josefsheim - nun Teil der Kötztinger TCM Klinik - und war die Heimat vieler Waisenkinder bis zum Jahreswechsel 1959/1960.


Die neue Schule in Kötzting 


Im November 1856 hatte die übergeordnete Behörde entschieden, dass die Weißenregner und Hafenberger Kinder, im Wesentlichen aus Sicherheitsgründen -  nach Kötzting zur Schule gehen mussten und nicht mehr den längeren und gefährlicheren (schadhafte und baufällige Brücken) Schulweg nach Blaibach zu gehen hatten. Dies vergrößerte den Kötztinger Schulsprengel erheblich..
Um diese wohl  unhaltbare Situation in Kötzting zu lösen wird um eine Lösung gerungen. Der Ankauf des Hauses von Schwarz Hermann für 8000 Gulden wird vom Landgericht bevorzugt (AA III/13). 
(Das "Anwesen "Schwarz" ist heutzutage das Intersportkaufhaus der Firma Wanninger neben der St. Veitskirche und war wenige Jahrzehnte vorher Kötztings erstes Forstamt.)
Das Gebäude sei viel zu alt und baufällig urteilte der Kötztinger Magistrat und schickt 2 Mitglieder nach München und bittet die Regierung einem Neubau den Vorzug zu geben. Sie gehen sogar soweit, bei Seiner Königlichen Majestät eine Eingabe in der Sache zu machen. 1857 wurde von der Regierung  in München erneut befohlen das Schwarz'sche Wohnhaus umzubauen. Im Januar 1858 kam es dann von Seiten der Behörden zu einem Ortstermin und eine eine Kommission aus München besichtigte den neuen Platz und gab grünes Licht für einen Neubau. Auch ein Fahrweg zum Schulhaus wird genehmigt  und bis zum 1. Okt 1858 sollte das neue  Schulhaus dann fertig sein. 
1857 der Lageplan für die Schule und die Zufahrt. Zum Leidwesen des Marktes wird die neue Zufahrt
von München als Hauptweg innerhalb Kötztings deklariert und muss deshalb aufwendig erhalten und erneuert werden.

Der seitliche Zugang über eine Treppenanlage von der Gehringstraße kann erst nach dem Großbrand von 1867 und der nachfolgenden Umplanung der Kötztinger Straßen angelegt werden.
1887, bei einem Bauantrag des benachbarten Gärtnereibetriebes, kann man die Treppenanlage bereits erkennen.


oben links das Schulhaus, rechts der Schulgarten, ganz rechts die Gehringstraße und oberhalb des "Bauplatzes" die Treppenanlage.


Durch die fehlende Dacheindeckung kommt es zu einer Verzögerung und folgend dann zu großen Bauschäden durch eindringende Feuchtigkeit. Im Herbst 1859 kam es dann endlich zur Fertigstellung und die feierliche Eröffnung fand am 29. Sept 1859 statt.
Zwei Jahre nach der Eröffnung ist das Dach immer noch nicht dicht,  es regnet am Dachboden rein und das Treppenhaus steht voller Wasser. Auch 1867 sind weiterhin Beschwerden wegen des undichten Daches aktenkundig und wegen dadurch entstandener großer Schäden am Stiegenhaus.
Das Problem der Dacheindeckung bleibt dem Gebäude zeitlebens erhalten. In den folgenden Jahrzehnten wird diese immer wieder erneuert, aber ebenfalls immer so lange zugewartet, bis der Dachstuhl selber angegriffen war und manchmal ebenfalls ausgetauscht werden musste. 



Hier der mächtige Baukörper des alten Schulhauses, aus der Gärtnerei her aufgenommen

Der Blick von der anderen Seite her, aus dem Privatalbum von Frau Vogel, geb. Mieleithner.

Einschub
Ich erinnere mich, dass während meiner Volksschulzeit - es muss zwischen der 3. und 5. Klasse gewesen sein, denn nur zu der Zeit war ich beim Lehrer Zelzer in dem Zimmer, kam der Kamin des gegenüberliegenden alten Schulhauses mit großem Getöse heruntergerutscht und zerschellte auf dem Pausengelände. Da Unterricht war, wurde auch drüben niemand verletzt.
Einschubende



Baumpflanzungen an Distriktsstraßen


Dies ist ein Punkt, der mir in der Vorbereitung auf diesen Blogbeitrag  - auch als Kötztinger -  überhaupt nicht bewusst gewesen waren und mir erst durch die oben  - bei der Jagd auf den Räuber Heigl - beschriebene Verteidigungsrede des königlichen Rentbeamten Härtl bekannt wurde. 
Fast zeitgleich mit von Paurs Dienstantritt in Kötzting kommt von der Regierung aus Landshut ein Befehlsschreiben, sich um die äußerst lückenhaften Baumalleen an den Distriktsstraßen zu kümmern.
Vorausgegangen war wohl eine Reise übers Land des Königs, dem die vielen armseligen bzw. abgestorbenen Pappelbäume an den Landstraßen aufgefallen waren.
Diese armen, ungepflegten Bäume waren das Ergebnis einer von oben angeordneten Pflanzaktion aus den Jahren 1830, von welcher noch Pflanzregister mit den Namen der Grundstücksbesitzer vorlagen.
Staatsarchiv Landshut\Rep 164-8\Rep 164-8 Nr. 705 von 1846 Baumpflanzungen an den Distriktsstraßen
Die erste Nachpflanzaktion sollte von der Grenze mit dem LG Cham über Eschlkam, Großaign bis nach Neumarkt sein. Um überhaupt einen Überblick über die Situation zu erhalten, forderte Carl von Paur zuerst eine Inventur des Baum- und Pflanzpfahlbestandes der beteiligten Gemeinden an.
Allein die Gemeinde Großaign meldete einen Bedarf von 150 Bäumen und machte gleichzeitig den Vorschlag auf die Nachpflanzung von Süßkirschen und Weichselbäumen aus klimatischen gründen zu verzichten und lieber 50-60 Pappeln und den Rest mit Birnbäumen aufzufüllen und zwar "auch ungerathe und schälle, damit keiner zu keinem Gehstock brauchbar ist, weil die Gerathen die Meißten den Reissenten für gehstöcke abgeschnütten werden, wie auch die Viechtreiber es machen, weil gar keine Achtung für die Alle mehr ist, so weil es sehr Nothwendig ist eine oder zwey Wahrnungs Tafeln aufgestellt wurden und eine strenge Strafe vorgeschrieben wurde damit die baume besser in Schutz bleiben" Das bestätigt die Landgemeinde Großaign und auch der Wegmacher 
Eine Zählung der Strecke Großaign bis zur Grenze erbrachte 1847 die stolze Summe von 598 bestehenden und 103 fehlenden Bäumen.  Dieselbe Distriktsstraße durchschnitt auch den Burggeding von Eschlkam; der dortige Magistrat meldete 250 neu gepflanzte Bäume mit der vorgeschriebenen Stammstärke und Höhe.  Von der Landgericht Chamischen Grenze bis zum Burggeding Eschlkam waren es damals 292 Bäume. Das heißt, dass auf dem beschriebenen gesamten Straßenteilstück insgesamt mehr als 1200 Alleebäume gepflanzt worden waren.
Auch Eschlkam rät bei der Nachpflanzung von den ursprünglich gepflanzten Kirsch- und Nussbäumen ab, die aus der Bamberger Gegend stammten und nicht für das örtliche Klima geeignet waren. Eschlkam bevorzugt Apfelbäume, aus deren Früchte man Essig gewinnen könne und "somit ein größerer Nutzen geschöpft würde, als durch die Kirschen".
Carl von Paur nimmt diese Argumente in seinen Bericht an die Regierung mit auf, beschreibt auch die Situation, die "hierzu kommt Mangel an Pflege, so daß die Allee meist aus Krüppelbäumen besteht"
Über die Vorgaben der Regierung solche Bäume zu pflanzen fügt er an, dass "eine solche Pflanzung (hier) nicht thunlich und diese Strassen bey der breite von durchschnittlich 16 Fuß, stellenweise nur in der Breite des Fahrgeläufes, die Aufstellung einer Allee nicht zulassen."
Er meinte auch, dass solch einen Bepflanzung  die Fuhrwerker behindern und durch die Beschattung das Austrocknen der Straße erschweren würde, ganz zu schweigen, dass die Anlieger die auf ihren Gründen nicht zulassen würden.

Die königliche Bau=Inspektion von Neunburg v/W (!) war offensichtlich für die "Inspizierung des Baumwesens" in der Oberpfalz zuständig, verfolgte den Straßenverlauf aber auch über die Oberpfalzgrenze hinaus  und schrieb in einem Bericht an das LG Kötzting, dass 
Im Orte Eschlkam fehle die Radschuhtafel und die Ortstafel sei ganz ohne Anstrich. Die Großaigener haben auf solch eine Ortstafel gleich ganz verzichtet. Da die behörde nur für die Beschaffung von Bäumen zuständig sei und die gemeinden die Pflege übernehmen müssten, wolle man in Erfahrung bringen, wie viele Bäume gebraucht würden.
Das Landgericht schreibt nun an die Märkte der Umgebung und erhält gleich vom Markt Kötzting  eine knappe Rückantwort des Bgm. Schrank - auch noch gutbürgerliche Brauer und Gastwirt in der Post, bei dem auch Carl von Paur gerne einkehrte. 
Er berichtete knapp in einem Satz, dass "in hiesiger Gemeindemarkung solche Strassenalleen nicht bestehen und neue Anlagen solcher nicht wohl ausführbar sind". Eschlkam und Neukirchen sind da positiver eingestellt und melden ihre Bestände.
In den Jahren nach 1857 geht es nun dem Landgericht um die von Kötzting aus gehenden Straßen.
350 Bäume auf der Straße Kötzting-Straubing werden im Gemeindebereich von Blaibach und Kreuzbach gepflanzt. 
Kötzting beschreibt nun die Situation rundherum um den Markt:
1. Strasse nach Haus        30 Stück
2. Strasse nach Blaibach 130 Stück
3. Grub bis zum Burgfieden 176 Stück
     von da bis nach Grub        47 Stück
4. Strasse nach Beckendorf    7 Stück
5. Strasse nach Wettzell       126 Stück
                                          ----------
                                              516 Stück





Auch wenn die Bäume sicherlich nicht mehr dieselben Exemplare sind, kann man an der Straße nach Grub noch die Reste einer Obstbaumallee erkennen.
Auf einer alten Postkarte (ca. um 1910) kann man die relativ enge Bepflanzung der Bäume an der Straße nach Wettzell noch gut erkennen.
Arbeitskreis Heimatforschung DiaRepro 502 
Ansichtskarte  ca. 1910, erhalten von Sigi Wild, Furth/Wald Wettzeller Straße , "Am Fuße des Ludwigsberges ":  Gebäude v.li. Drunkenpolzstadel (später durch Vermächtnis Krankenhausstadel) "kl. Stadel war der Stadel vom Viehhändler Rackl Marktstraße, auf diesem Grund baute 1927 Dattler (Gemüsehändler) ein Haus, Haus Nr. 87 D

Einschub
Ich würde mal sagen, (von vorne nach hinten) am Anfang sieht es von der Silhouette wie eine Süßkirsche aus, gefolgt von einem Spitz/Bergahorn.  Im weiteren Verlauf bergab könnten es Apfelbäume sein. Auf jeden fall haben die Bäume einen hervorragenden Kronenaufbau.
Einschubende







In einem Jahresbericht (1857) vervollständigt der Miltacher Schullehrer Johann Huber die Forsetzung der Baumpflanzung nach Straubing:
Miltach mit 50 - Oberndorf  mit 12 Wolfersdorf mit 9 Harrling mit 80 Altrandsberg 0 und Grub mit 6 Bäumen stellten die Baumbepflanzung an der westlichen Landgerichtsgrenze dar. 
Bereits ein Jahr später werden von den ursprünglich gemeldeten 130 Bäumen zwischen Kötzting und der Blaibacher Gemeindegrenze  bereits 100 Bäume und 59 Baumpfähle als fehlend rückgemeldet.
Fast resignierend beklagt Carl von Paur, dass, da die Pflege im Verantwortungsbereich der Gemeinden läge und daher " mit Zwang gegen die Gemeinden nicht vorgeschritten werden darf, freiwillig aber nichts geschieht, indem ein Sinn für ein derley schönes und nützliches Unternehmen bey der großen Mehrzahl der Distriktseinwohner, die lediglich Landleute und Kleinbürger ind en Märkten sind, noch nicht rege geworden ist, vielmehr eine Abneigung gegen Allee Pflanzungen besteht, muss man bedauern, in dieser Sache nicht ersprießliches leisten zu können, obwohl man nicht unterläßt, bey jeder Gelegenheit auf den Nutzen der Straßenalleen aufmerksam zu machen. In tiefer Ehrfurcht Paur.". 

Einschub:
Interessant für mich als Gartenbauingenieur ist natürlich, welche Baumarten nun zur Pflanzung gekommen sind. Aus dem Zeitraum CvPs sind es nur allgemeine Bezeichnungen wie Pappeln, Äpfel, Kirschen und Birnen. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts haben wir in Landshut einen Akt spohl mit zeitgenössischen Baumschulkatalogen als auch mit Bestellisten.
1894 wurden in einer thüringischen Baumschule für den Bezirk Kötzting
120 Eschen, 
50 Eschenahorne,  (? Sehr windbrüchig)
20 unterschiedliche Bergahorne 
70 Spitzahornbäume bestellt.
Aus einer Hannoveraner Baumschule dann weitere
30 Kastanien
5 Linden (allerdings eine kälteempfindliche Art)
 6 Rotdorn
30 californische Ahorne (?)

Ulmen und amerikanische Roteichen vervollständigten die Liste an Laubbäumen. Man versuchte also bereits damals auch verschiedene exotische Bäume auf ihre Verwendbarkeit zu testen
Katalogausschnitt Alleebäume der städtischen Baumschule in Straubing 1894

Briefkopf eines Angebotsschreibens an den damaligen Kötztinger
Bezirksamtmann Freiherr von Schacky


Einschub Ende





Die "Von Paur Chronik"


Kötzting besaß bis zum Jahre 1871 nur die sogenannte Schuegrafchronik, welche genau bis zum Jahre 1800 reichte. "Joseph Ludwig Schuegraf, pensionierter Oberlieutnant aus Regensburg", ein Schwergewicht des neu gegründeten historischen Verein der Oberpfalz, konnte seine Aufzeichnungen für 22 Gulden im Jahre 1843 dem Markt Kötzting verkaufen. Im Archiv des historischen Vereins in Regensburg finden sich eine Vielzahl von Manuskripten aus seiner Feder, über unsere Umgebung. 
Nun, nach seiner Versetzung im Jahre 1869 und seiner Pensionierung im Jahre 1871 fühlte von Paur sich bemüßigt, die Lücke in der Kötztinger Überlieferung zwischen Schuegrafs Chronik und seiner Amtsübergabe an den Bezirksamtmann Dandl zu schließen. 
Einleitung der von Paurschen Chronik in seiner Handschrift

"Da es unterlassen worden ist, zum Behufe der Fortsetzung der von dem Herren Oberlieutenant J. Rudolph Schuegraf in Regensburg hergestellten bis zum Jahre 1800 reichende Ortsgeschichte des Marktes Kötzting Vormerkungen zu machen, glaubte der Verfasser  die ihm in Folge der Versetzung in den Ruhestand vergönnte Muße dazu verwenden zu sollen. "
Mit der Postdirektion trat er dann in Verhandlungen, um das Porto für den Versand von Kötztinger Archivalien zu regeln. Erst nach seinem Tode wurden die beiden Chronikbände (Band 1 thematisch gegliedert und Band 2 schlicht einem Zeitpfeil folgend) - nach einem Schriftverkehr mit den Erben - dem Markt Kötzting übereignet.
Die Chronik war Teil des Marktarchives war dann aber für viele Jahrzehnte verschwunden. Erst umfangreiche - allgemeine - Recherchen und Nachfragen bei Privatpersonen nach Bildern und Dokumenten für die große Feier im Zusammenhang mit der 900 Jahrfeier Kötztings brachten als Zufallsfund die, sich in Privathänden befindende, Paursche Chronik wieder ans Tageslicht.

Altkatholiken:

Am Ende von von Paurs Kötzting Amtszeit angekommen, möchte ich auf den eingangs zitierten Kommentar bei seinem Sterbeeintrag verweisen. Wie konnte solch eine bittere Randbemerkung Eingang finden in einer Beerdigung des Mannes , der dem markt und dem Bezirke Kötztings in so hervorragender Weise gedient und geholfen hatte.
In seiner eigenen geschichtlichen Zusammenstellung findet sich - sehr vornehm ausgedrückt -  eine Erklärung, was in Kötzting diese Veränderungen bewirkte:
Paursche Chronik (Einleitung und Anhang Seite 86): "Eine Periode besonderer Geselligkeit in Folge besten Einvernehmens zwischen Beamten, geistlichen, Bürgern und den übrigen Einwohnern fällt in die Jahre 1833 bis 1860, was manche durchreisende Fremde und Geschäftsreisende veranlasste, ihren Aufenthalt zu verlängern, um an den Ortsvergnüglichkeiten Theil zu nehmen, wobei sie stets willkommen geheißen waren".
Er hebt besonders das Schranksche und das Rötzersche Gasthaus hervor (heutzutage Hotel zur Post und Bäckerei Pongratz). Natürlich kann er nicht umhin dabei vor allem seinen langjährigen Weggefährten und Mitstreiter Dr. Müller (Saumüller vom 1833-1858 Amtsphysikus in Kötzting) hervorzuheben, einen "Mann voll Leben und listiger Bosheit. Sein glücklicher Humor, seine unverwüstlich gute Laune, gepaart mit einer poetischen Begabung, die er in vielen Gelegenheitsgedichten kundgetan hat, war es zu verdanken, dass gar oft die Berufssorgen des Tages in heiterer Abendgesellschaft konnten vergessen werden.". Es ist schon auffallend, dass Dr. Müller bei all seinen Spottgedichten, bei denen er eigentlich niemanden verschonte, ausgerechnet Carl von Paur mit keinem Wort erwähnte - nicht einmal in lustig positivem Sinne - , dies zeugt für mich von dem tiefen Respekt, den er von seinem Chef hatte..
"Als im Jahre 1862 die Trennung der Justiz von der Verwaltung geschah, war es doch als habe diese Trennung auch auf die gesellschaftlichen Verhältnisse des Orts zersetzend eingewirkt, denn von da an nahm die Geselligkeit immer mehr ab, und artete zuletzt in Folge der hinzukommenden politischen und kirchlichen Ereignisse in Parteiungen aus, die ein ferneres geselliges Zusammengehen der verschiedenen Einwohnerklassen nicht mehr zuließen, wie dies auch an vielen anderen Orten leider vorgekommen ist. Die gegenwärtig /:1871:/ noch andauernde gesellschaftliche Störung wird nur durch die Zeit ausgeglichen werden. Möge dieses bald geschehen." 
Prophetische Worte und Wünsche des Autors. Es dauerte aber fast bis herauf ins 20. Jahrhundert, bis dieser Riss gekittet werden konnte; es musste also eine ganze Generation drüber weggehen, ehe es wieder ein gutes Einvernehmen innerhalb der Kötztinger Bürgerschaft gab. Dieses endete dann ebenfalls abrupt mit dem Beginn des ersten Weltkrieges. 
Aber da haben wir die Stichworte für das Zerwürfnis, vorsichtig verpackt,:  "politische und kirchliche Ereignisse."
Zusätzlich hatten sich ab 1862 auch die wirtschaftlichen Verhältnisse verschlechtert. Im Rahmen der Verwaltungsreform kam es zur gerichtlichen Abtrennung des Bereichs um Neukirchen. Damit gingen nun alle Bewohner des Hohenbogenwinkel nach in Neukirchen für Beurkundungen, um zu prozessieren, um Anzeigen abzugeben. Als Folge davon brach in den Kötztinger Wirtschaften der Umsatz ein, weil es früher eben üblich gewesen war, Rechtsgeschäfte - egal welcher Art - anschließend in Gasthäusern ausklingen zu lassen. Und dann kam noch die Brandkatastrophe von 1867 dazu. Der Großteil der Bürger hatte nun andere Sorgen, als im Gasthaus am Stammtisch sich lustige Geschichten anzuhören.  
All das hätte aber noch keinen Riss innerhalb der Kötztinger Gesellschaft bringen müssen, dazu bedürfte es einer äußeren Ursache: das erste vatikanische Konzil in Rom.
Es ist hier nicht der Ort um auf die theologischen Hintergründe und Winkelzüge dieser Kirchenversammlung einzugehen. Vorangetrieben vom Regensburger Bischof Senestrey - das ist der mit dem Prozess mit dem Kötztinger Bürgermeister Kollmaier - und dem Erzbischof von Canterbury wurden auf dem Konzil mehrere Glaubenssätze verpflichtend eingeführt und festgeschrieben, die es manchen Katholiken guten Gewissens nicht mehr möglich machte, in dieser sich reaktionär verändernden Kirche zu verbleiben. 
Aus diesem Gewissenskonflikt sahen manche dieser Menschen nur einen Ausweg für sich, sie bildeten eine neue Religionsgemeinschaft, die sogenannten Altkatholiken. Ein Affront für die Amtskirche, die diese Personengruppe von nun an mit allen Mitteln - die Presselandschaft war damals noch sehr viel auf der Linie ihrer Verleger als heutzutage - bekämpfte.
Sowohl die nun festgezurrte Unfehlbarkeit des Papstes und der neue antiliberale Forderungskatalog  stellten auch intellektuell eine Herausforderung für Menschen dar, die nicht alles für "gottgegeben" ansahen, was da von Rom hereinschneite. Es waren jedenfalls nicht die unklügsten Menschen, die sich den Altkatholiken zuwandten und dafür nun am Pranger standen. Carl von Paur und Maximilian Schmidt (später genannt Waldschmidt) waren zum Beispiel 2 hochrangige Altkatholiken bei uns.
Das alleine hätte aber nicht für Krach innerhalb der Bevölkerung  gesorgt, nein es war eine andere Entscheidung, die dir Kötztinger auf die Barrikaden brachte:
Der Umgang mit dem Allerheiligsten - vor allem im Freien - wurde neu geregelt. So wie heutzutage auch an noch an Fronleichnam zu sehen. Mit besonderen Kleidungsvorschriften für den Priester und vor allem zu Fuß, unter einem "Himmel", hatte der Priester zu schreiten.  
Tja, und da sind wir beim Kötztinger Problem, wie soll das an Pfingsten denn so gehen.
Ganz einfach, meinte Regensburg, der Priester geht zu Fuß, und ein paar Reiter dürften ihn begleiten.
Diese Streitigkeiten sind bereits in vielen Abhandlungen erörtert worden; hier nur in Kürze das Ergebnis:
Die Kötztinger waren hellwach und empört, der Magistrat war binnen kurzer Zeit mehrheitlich altkatholisch und der Kötztinger Pfarrer stand einer unnachgiebigen Opposition gegenüber. Natürlich hatte er auch seine überzeugten katholischen Anhänger und so standen sich beide Lager unversöhnlich gegenüber. 
Im Verhältnis seiner geringen Einwohnerzahl war Kötzting sicherlich herausragend mit seinem Prozentsatz an Altkatholiken. 
Dann wurde Carl von Paur, kurz nach seiner Beförderung zum Regierungsrat versetzt und begann an seiner neuen Wirkungsstätte damit seine Chronik zu schreiben.

Todesanzeige Carl von Paurs.
Danke an Herrn Silberbauer aus Rimbach, dem ich all die folgenden
Zeitungsausschnitte verdanke


Lange Zeit zu schreiben und zu leben, blieb ihm nicht mehr, er verstarb am 6.12.1873 in Weilheim und wurde wunschgemäß nach Kötzting überführt, wo ja bereits sein Vater und seine erste Frau begraben waren. Da unwürdige Gerangel, welches sich der Kötztinger Pfarrer Jäger und Paurs Nachfolger als Bezirksamtmann Dangl lieferten, fand seinen Niederschlag in der überregionalen Presse. 







Die Beerdigung des altkatholischen Bezirksamtmann Carl von Paur





DIA Repro 540: Originalstandort der Grablege Carl von Paurs und
Seiner Familie. Nach dem Einsturz der Friedhofsmauer wurde
das Grabmahl in die Leichenhalle transferiert und fristet nun,
seit dem Abbruch desselben, ein Dasein auf einer EURO Palette im
Bauhof und warte auf die Neugestaltung unseres Oberen Friedhofes


Auch im Stadtarchiv findet sich ein Akt, der sich damit befasst: (331/2): Das Thema ist die  Beerdigung des Altkatholiken Regierungsrat von Paur nach einem massiven Protest des "neukatholischen" Pfarramtes und der Kirchenverwaltung. Es erfolgte dann ein Einspruch des - mehrheitlich altkatholischen - Gemeinderates. Der Akt enthält auch eine auch Rüge von Seiten der Regierung von Niederbayern, Kammer des Inneren gegen Pfarrer Jäger und dessen Maßnahmen bei der Beerdigung des Regierungsrates v Paur: In Bayern gibt es keinen Unterschied zwischen Alt- und Neukatholiken.
Nun aber zu den genauen Details, und die sind gut aus der Presse zu entnehmen.

Straubinger Zeitung von 1873, die man unschwer erkennen kann, nicht auf der Seite der
römischen Kirche.

Hier eine etwas neutralere Darstellung dessen was in Kötzting geschehen war.
Die Wochenschrift des Fortschritts würdigte Carl von Paur in einem längeren Artikel und darin erfahren wir mehr über seine politischen und patriotischen Ansichten, als es die Kötztinger Dienstakten möglich machten. 


Er war also seit 1865, also noch zu Kötztinger Zeit und als Mitglied des bayerischen Landtages, zur Fraktion der bayerischen Fortschrittspartei gestoßen, ein Schritt, der, wie im Artikel angedeutet, für einen bayerischen Verwaltungsbeamten unter Umstanden ein Karriereende bedeuten konnte. Die Fortschrittspartei gilt als erste Programmpartei Deutschlands und ist, vereinfachend gesagt,  auf der liberalen und patriotischen Seite der damaligen Parteienlandschaft zu verorten.
Interessant ist der Hinweis, dass von Paur, obwohl schon kein Landtagsabgeordneter mehr, offensichtlich noch gerne und leidenschaftlich die Debatten im Landtag verfolgte und bei der Proklamation des Kriegsbündnisfalles (1870/71) und die Proklamation des Deutschen Reiches 1871 "live" mitverfolgen konnte. 
Herausgestellt wird ganz besonders die "Liebenswürdigkeit seines Wesens", die ihn  über Parteigrenzen hinaus beliebt macht. 






Es gab aber auch die andere Seite der Presse, die auf der Seite der römischen Amtskirche, die ihren Spott über den Vorgang ausbreiteten.
Die "Sacktücher der Rührung" beziehen sich auf den Streit Kollmaiers
mit dem Bischof Senestrey, dem er ja ein solches anstelle der Kirchenfahne
aus dem Fenster gehängt hatte.




Der Kötztinger Kirchenstreit ist bereits oft beschrieben worden und hat viele Facetten, hier aber geht es nur um die Person Carl von Paurs. 


Carl von Paurs Karriere beim bayerischen Staat


Noch einmal zurück zu seiner Person. Sein Pensions- und sein Personalakt sind erhalten geblieben, dadurch habe wir noch einiges über seinen Dienst und sein Ausscheiden erfahren.

 Reg v NB KdI Nr. 28891 Personalakt Carl von Paur



In einem Bittschreiben um eine "Begutachtung zur Beförderung" im Jahre 1843 hält Carl von Paur fest, dass er bereits seit dem Jahre 1829 im Dienste der bayerischen Justiz und Verwaltung stünde. 
Aus seiner Zeit als Gerichtshalter in Aufhausen hat sich ein ärztliches Zeugnis erhalten:
In einem Gesundheitszeugnis, das seinem Personalakte beiliegt, wird er im Alter von 34 Jahren, als Berufsanfänger, beschrieben als "von hohen Gestalt und scrophulösem Habitus". Dabei handelt es sich offensichtlich um eine deutlich sichtbare Erkrankung der Halsdrüsen.

 Reg v NB KdI Nr. 28891 Personalakt Carl von Paur Landrichter von 183r4 ff

Carl von Paur litt heftig an Geschwüren des Halses und der Ohren und erhielt eine mindestens vier Wochen andauernde Heilbehandlung mit strikten Anweisungen für "stete häusliche Pflege, strenge Diät und genauer Befolgung der ärztlichen Anordnungen, widrigenfalls selbst Lebensgefahr .... ärztlicherseits prognostiziert werden muss. Eggenfelden 1. September 1838"
Offensichtlich hat die Kur angeschlagen, denn am 19. Oktober leistet Karl(!) von Paur seinen Diensteid - eine fast 2 Seiten lange Eidesformel - auf die bayerische Verfassung und wird als II. Landgerichtsassessor in Vilshofen in den Staatsdienst aufgenommen. 
 Reg v NB KdI Nr. 28891 Personalakt Carl von Paur
Diensteidsprotokoll 


Im Februar 1844 wird der II. LG Assessor von Vilshofen zum I. Landgerichtsassessor im LG Trostberg befördert. 
Am 18. September 1845 ist es dann soweit, König Ludwig unterschreibt die Bestallungsurkunde für den nunmehrigen Landrichter in Kötzting.
Interessant, der König Ludwig sitzt in Aschaffenburg, für diese Amtshandlung.


 Reg v NB KdI Nr. 28891 Personalakt Carl von Paur
Ludwig etc.........
"Wir finden uns bewogen, die durch die Quieszierung (Ruhestand) des Landrichters Herrmann in Erledigung gekommene Landrichtersstelle in Kötzting vom 1. Oktober d.J. am. dem bisherigen I. Landgerichtsassessor in Trostberg Karl von Paur allergnädigst zu verleihen."

Laut seines  Dienstvertrages erhält er:

1100 Gulden an Lohn und dann weiters als

Naturalbezüge:
1 Schäffel Weizen
7 Schäffel Korn
im Geldanschlage (wert) von 100 Gulden

als Funktionsnebenbezüge:
400 Gulden zum Unterhalt des notwendigen Schreiberpersonals
28 Schäffel Hafer zum Unterhalte von 2 Dienstpferden
36 Klafter halb hartes, halb weiches Brennholz zur Beheizung der Amtslokalitäten
"Ein Aversum (Abfindung) für Schreibmaterialien, welches in vier Gulden für je einhundert der unmittelbaren Landgerichtlichen und diesen gleichgeachteten Familien besteht. "

Seinen Dienstantritt solle er, wenn möglich, sofort machen, da sein, da er in Kötzting dringend benötigt würde. Drei Tage dauerte die Nachrichtenübermittlung von Aschaffenburg nach Trostberg. Sofort nach Benachrichtigung bat von Paur um Aufschub, da in Trostberg die Kirchen- und Gemeindewahlen anstanden waren, deren ordentliche Abwicklung er zu garantieren habe. 14 Tage brauche er mindestens und so versuche er dann am 16. Oktober in Kötzting einzutreffen. 
Schon 4 Jahre später bewirbt er sich auf eine freigewordene Ratsstelle bei der Regierung von Schwaben, was auch eine Beförderung zum Regierungsrat beinhalten würde.
Seine vorgesetzte Behörde empfiehlt ihn für den Posten und beurteilt ihn als "noch im besten und kräftigsten Mannesalter" stehend, welcher  "durch alle Rubriken mit der Note I qualifiziert" sei und "ganz unzweifelhaft zu den tüchtigsten Beamten des Kreises" gehöre.  
Im Juli 1853 nun reicht er einen Urlaubsantrag über 4 Wochen ein. "Es wären keine Amtsgeschäfte im Rückstand und nach der Inhaftierung des Verbrechers Michael Heigl und Unschädlichmachung seines Anhanges durch Einschaffung in das Zwangsarbeitshaus der Sicherheitszustand im Amtsbezirk vorzüglich befriedigend sei". Noch dazu stünden umfangreiche Baumaßnahmen in der Dienstwohnung und im Geschäfts Büro an, die er in dieser Zeit auch nicht benutzen könne. Der Urlaub wird genehmigt.
Im Juni 1855 bescheinigt der Kötztinger Gerichtsarzt Dr. Müller, dass "Carl von Paur im März und April Sechs volle Wochen an einem hartnäckigem Grippe Anfall mit besonderer Rheumatischer Affektion des Kopfes krank gelegen" war. Das Rheuma war geblieben, so dass Dr. Müller "ein 6-8 wöchiges zweckmäßiges Mineralbad in Verbindung mit einer Luftveränderung in einem milderen Clima" anraten würde. 
1858 bittet er erneut um Urlaub - seit 3 Jahren habe er keinen solchen mehr genommen. Weiter schrieb von Paur: " Ich denke den Urlaub im Laufe des Monats August und September zu einer Erholungsreise nach München, sodann von dort in die deutschen Bundesländer, insbesonders in die Rheingegend zu benutzen." 
Für den 6. Mai 1862 findet sich seine Neubestallung als Bezirksamtmann:

 Reg v NB KdI Nr. 28891 Personalakt Carl von Paur
Ernennung zum Bezirksamtmann mit nun 2000 Gulden Jahresgehalt


Am 9. Mai bittet er erneut um Urlaub, diesmal aber aus ganz besonderem Anlass:
 Reg v NB KdI Nr. 28891 Personalakt Carl von Paur
"Durch das Vertrauen der Wähler im Wahlbezirke Viechtach(!) zum Abgeordneten der Ständeversammlung gewählt, und nachdem ich allerunterthenigst treugehorsamst Unterzeichneter die Annahme der Wahl erklärt habe, bitte ich Eure Königliche Majestät in allertiefster Ehrfurcht, mir den benöthigten Urlaub zum Eintritte in die Kammer der Abgeordneten allerhuldvollst zu gewähren...."
Aus dem Jahre 1866 kennen wir eine Ab- und Rückmeldung wegen seines Einsatzes als Landtagsabgeordneter. Am 25.8 reiste der wegen der Einberufung des Landtages nach München ab und konnte am 4. September seine Amtsgeschäfte wieder aufnehmen. 
Einschub:
Hintergrund der diesmal ohne große "Urlaubsgenehmigungsformalitäten" waren wohl die politischen Umstände.
1866 kam es zum "Deutschen Krieg", in dem Bayern (neben vielen anderen deutschen Staaten) an der Seite von Österreich eine krachende Niederlage durch die preußischen Truppen hinnehmen musste. (Stichwort Schlacht bei Königgrätz). Preußen war seinem Ziel, ein Kleindeutsches Reich ohne die Einflussnahme von Österreich zu etablieren, einem bedeutenden Schritt nähergekommen. Zwar wurde der Prager Frieden zwischen den beiden Hauptbeteiligten erst am 23. August abgeschlossen, aber andere süddeutsche Staaten hatten bereits vorher - Preußen hatte sich ihnen gegenüber sehr nachsichtig gezeigt, was Gebietsabtretungen betraf - mit den Berlinern geeinigt. Württemberg war am 13. August, Baden am 17. August und Bayern am 22. August im Rahmen von Friedensverträgen mit Preußen dem Vertrag von Nikolsburg beigetreten. 
Der Vorfriede hatte einen Schlussstrich unter den Deutschen Bund gesetzt, der 51 Jahre lang die Klammer zwischen den deutschen Staaten gewesen war. Für sie wurde ein Ersatz gesucht. Dieser sah so aus, dass die süddeutschen Staaten Württemberg, Baden und Bayern mit Preußen nicht nur Frieden schlossen, sondern auch geheime Schutz- und Trutz-Bündnisse eingingen. (Wikipedia).
König Ludwig II berief also vermutlich seinen Landtag zu Beratung bzw. Beschlussfassung ein und das erklärte von Paurs Reise nach München und die im Verhältnis  relativ kurze Anwesenheit dort. Es gab vermutlich nur dieses eine Hauptthema zu verhandeln.
Einschub Ende

Im Januar 1867 nun, vermutlich hatten sich die außenpolitischen Wogen geglättet und das Parlament hatte mit den Folgen der neuen Verträge und den geänderten Rahmenbedingungen in deutschen Landen umzugehen und zu beraten, war von Paur von Anfang Januar bis Ende März in Sachen Landtag in München.  In den Folgejahren ist er dann immer wieder für mehrere Wochen als Mitglied des Landtags unterwegs und überlässt die Amtsgeschäfte in Kötzting seinem Untergebenen.

Am 26.8.1869 dann reicht er - nun dauerhaft als Karl(!) von Paur unterschreibend - 66jährig seinen Antrag auf Ruhestand beim König ein. Er spricht von der Abnahme seiner geistigen und körperlichen Kräfte und legt ein ärztliches Gutachten bei. Er meinte, dass in einer Gegend, die gerne als "bayerisch Sibirien" beschrieben wurde, es eine volle Gesundheit und körperliche Rüstigkeit benötige, da der ihm anvertraute Grenzbezirk " bei großer Ausdehnung, rauher und winterlicher Lage und sehr bergigen Terrainbeschaffenheit nur mit Beschwerniß zu bereisen " sei.
Sein Gesundheitsgutachten bescheinigt ihm eine"venös-lymphatische Körperkonstitution und apothektischem Habitus, welches zu bronchialkatharratischen und asthmatischen Beschwerden und Anfällen führen würde.....besonders nach äußeren Temperatur und Witterungseinflüssen".
Hämorriden, Funktionsstörungen der Leber und damit Verdauungsstörungen schließen sich an. Auch eine fortschreitende Gesichtstörung (Augenleiden) rundet das Gesundheitsbild ab. 
Auch der Arzt sieht - neben dem Alter - seine Dienstpflicht zurückgelegt in " 24 vollen Jahren in nothorisch rauher, durch strenges Klima ausgezeichneter Waldgegend" als Mitursache an. 

Mit einem Ruhegehalt von 1820 Gulden möchte er seinen Wohnsitz in München nehmen.

Schreiben an das Rentamt, mit Bitte um seinen Abschied.
Kötzting den 2.11.1869
StA Landshut RegvNB KdF Nr. 2050 Pensionsakt


Viel Zeit als Ruheständler war ihm nicht mehr gegönnt, siehe oben, weniger als 4 Jahre nach seinem Antrag auf Pensionierung stirbt er in Weilheim an Lungenlähmung. Seine Lungenfunktion war ja eigentlich sein Haupthandicap laut des ärztlichen Gutachtens.


Nun, was bleibt von Carl von Paur.

Zuerst einmal natürlich der Ludwigsturm. Nur 6 Wochen vor seinem Tode, am 18.10.1873, vermachte er in seinem Testament ein Legat von 1750 Gulden (fast ein Jahresgehalt), auszuzahlen an den Markt Kötzting aber zweckgebunden nach seinen Vorstellungen.
Eine Stiftung solle den Namen "Stiftung zum Ludwigsturm" führen und von dem jeweiligen Bezirksamtmann zu Kötzting, einem dortigen Magistrats Mitglied und dem dortigen Schullehrer als Schrift- und Rechnungsführer verwaltet werden.

Einschub
Es scheint das Schicksal der damaligen Lehrer gewesen zu sein, immer und überall als Schreiber vereinnahmt zu werden.
Einschub Ende

Die Zinsen aus der Stiftungssumme sollen danach wie folgt aufgeteilt werden:
aus 500 fl Kapital für den baulichen Unterhalt des Ludwigsturms
aus 500 fl Kapital für die Abhaltung eines Jugendfestes in Kötzting
aus 500 fl Kapital für die Anschaffung von Schulbüchern und Schulmaterialien für arme Schulkinder der Schule in Kötzting
aus den verbleibenden 250 fl für die Bestreitung der Regiekosten der Stiftungsverwaltung.
dass die Ludwigsbergstiftung im Sinne des Verstorbenen arbeitete, konnte man bereits im Jahre 1876 erkennen. Es ist ein kleines Wunder, dass aus dieser Zeit 1(!) Exemplar einer mir bis dahin völlig unbekannten Kötztinger Wochenzeitung existiert, das wohl vom ersten Kinderfest  - nach dem Tode Carl von Paurs,  aber in seinem Sinne und von ihm gestiftet - berichtet.
Wertet man die Aufteilung der Stiftungsgelder, so ist liegt hier der Schwerpunkt mehr auf der sozialen Komponente. Seine Empathie und Sozialkompetenz hat Herr von Paur auch über seinen Tod hinaus belegen können.

Zwei Weltkriege, 2 Inflationen und 1 Währungsreform später, war es im Januar 1951 dann Schluss mit der "von Paurschen Ludwigstumstiftung". 

Kötztinger Umschau Januar 1951





Schild am Ludwigsturm mit dem Datum seines Testaments


Am Ende steht ein Bild von Frau Christa Rabl-Dachs, die am Treppenaufgang des Ludwigsturms eine 
szenische Darstellung unseres Herrn Bezirksamtmannes Carl von Paur durch die Kötztinger Festspielgemeinschaft festgehalten hat.

Wolfgang Kerscher als Landrichter Carl von Paur mit Mitgliedern der Kötztinger Festspielgemeinschaft
Bild von Frau Christa Rabl-Dachs aus dem Jahre 2001