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Dienstag, 6. September 2022

Ein Kötztinger Wahrzeichen ist verschwunden --- die Oberbergerbrücke

 Jahrzehntelang wurde diese  eiserne Brücke die "Kollmaierbrücke" genannt, weil dort am linken Brückenkopf auf der Spitalseite eines der bekanntesten Gasthäuser Kötztings gelegen war, der Kollmaier eben. Der spätere Namengeber, die Metzgerei Oberberger, auf der anderen Flussseite gelegen, war damals noch in Besitz eines der vielen Decker-Familienzweige und noch früher wohnte und arbeitete dort - bis zu seiner Verganterung - der Seiler Balthasar Hollmeier.

Foto Barth Josef Senior, zentral das Kollmaier Wirtshaus, eines der besten Gasthäuser Kötztings
bis in die 30er Jahre.

Aus dem Kollmaierschen Gasthaus heraus hing in den 1870er Jahren anlässlich eines feierlichen Einzugs des Regensburger Bischofs von Senestrey - je nach Überlieferung - entweder ein schmutziges Taschentuch oder aber sogar eine Unterhose. Diese "Überraschung" des Bischofs war danach wohl der Auslöser für eine beleidigende Predigt desselben, der sich für diese Schmährede dann sogar vor Gericht wiederfand, wo er in zweiter Instanz - überregional beobachtet und in den jeweiligen Zeitungen auch entsprechend parteiisch kommentiert  - zu einer saftigen Geldstrafe verurteilt wurde.

Kollmaier Karl, ein Nachfahre des obigen (Altkatholiken) Kollmaier verkaufte Anfang der 1940er Jahre sein Gasthaus - die Bahnhofsrestauration hatte er behalten - an den Herrn Maimer aus Haus und erwarb mit dem Verkaufserlös einen riesigen Gutshof - den Girglhof -  im damaligen Sudetenland.


Im Besitz unserer Familie - Pongratz - befindet sich noch eine/die original Milchkanne
des damaligen Girglhofes, die bis zur Schließung unserer Bäckerei auch täglich im Einsatz gewesen war.

Von diesem herrschaftlichen Besitz wurde Kalr Kollmaier nach dem Krieg allerdings durch die tschechische Regierung vertrieben und so wurde "der Kollmaier" dann das Gasthaus beim Bahnhof und die ehemalige Kollmaierbrücke wurde im Sprachgebrauch langsam zur Obermeierbrücke umbenannt.

Die Bilder, wenn nicht anders einzeln beschriftet, stammen alle aus dem Fundus der Stadt Kötzting und wurden in deren Auftrag höchst wahrscheinlich von Herrn Poidl Sperl angefertigt und für die Stadt archiviert.



Die Oberbergerbrücke im Winter

Die Kollmaier- oder Oberbergerbrücke; vorne links die Marktmühle

Suchspiel: erkennt jemand die steinernen Ecksäulen, links und rechts an den beiden Brückenköpfen?
Im Sinne des Recyklinggedankens wurden diese kurzen Säulen im Stadtgebiet an anderer Stelle neu aufgestellt

Im Zuge der Kötztinger Hochwasserfreilegung musste diese Brücke weichen, sicherlich auch, weil diese Ortsein- und -Durchfahrt in keinster Weise mehr den Anforderungen des Straßenverkehrs gerecht werden konnte, da sich ja der Brücke direkt eine sehr enge Straßenpassage anschloss, die sogar für ein einzelnes - breites - Fahrzeug zu eng war. 

StA Landshut BezA-LRA Kötzting Nr. 3631_0001
Aus dem Jahre 1856 stammt der obige Plan, der sich bereits mit dem Flussprofil und den möglichen Überschwemmungen befasst. Eine Detailvergrößerung zeigt uns einen eher hölzernen Belag und einen kleinen Knick, den die Brücke in ihrem Verlauf aufweist.

Die eiserne Brückenkonstruktion sollte in den 1880er Jahren entstanden sein und aus der zeit gleich nach der Jahrhundertwende kennen wir ein Bild von Schachtungs- bzw. Bauarbeiten im Wasser neben der Brücke. Was damals gebaut worden ist, ist nicht klar, es "könnte" sich um einen Wasseranschluss für die andere Regenseite gehandelt haben. Die Kötztinger Druckwasserleitung ist ab dem Jahre 1904 gebaut bzw. folgend dann erweitert worden.

Ich würde sagen eindeutig Schachtungsarbeiten neben der Brücke

Im Bild oben links - schwach zu erkennen - Stromleitungen. Dies gibt uns einen Hinweis, dass die Arbeiten nicht vor 1902/3 passiert sein können, denn erst ab diesem Zeitraum lieferte die Fa. Staudinger elektrischen Strom in den Markt herein.

100 Jahre lang also hielt diese Eisenkonstruktion alle Belastungen aus und doch half es nichts, es gab zu viele Hochwasserereignisse, die gerade diesen Bereich des markts Kötzting regelmäßig unter Wasser setzten.
 


Dann wurde es eng für die alte Brücke, allerdings wurde die gegenüber liegende Marktmühle angerissen und anschließend zunächst der Flusslauf korrigiert.


Dann kam die Brücke dran:
Im Hintergrund - oben - erkennt man die behelfsmäßige Ersatzbrücke genau gegenüber des Kommunbräuhauses, dessen letztes Stündchen auch bereits geschlagen hatte.








Und dann kam das endgültige Ende der alten Brücke.



Auch hier - oben im Bild - ist gut die Ersatzbrücke zu erkennen.


Nachdem die neuen Brückenköpfe errichtet worden waren, wurde die neue Brücke - es war Sommer geworden - mit einem Riesenkran eingehoben.


Die neue Brücke präsentierte sich beim Abschluss der Hochwasserfreilegungsarbeiten im Blütengewand.


Zum Abschluss noch zwei Bilder aus der Sammlung Serwusachok. Der Regen bei Nacht im Scheine von Lampions,




Donnerstag, 24. Januar 2013

Ein Steuerbuch oder eine Zeitreise......

letztes Monat im Staatsarchiv Landshut bei einer Archivreise -  mittlerweile schaffe ich es einmal im Monat einen Tag in einem der großen überregionalen Archive zu verbringen -  wieder Mal auf der Suche in Gerichtsakten nach dem menschlich allzu Menschlichen (schreibt man das jetzt groß oder klein??)
Also Repertorium Amtsgericht Kötzting und dort findet sich ein Gerichtsverfahren eines Andreas Amberger, der sein Braurecht einklagen will. 1819?? hä
Was ist da los, 1819, also in der "guten alten Zeit", hatte man in Kötzting entweder das Braurecht auf dem Haus, oder man hatte es nicht, das Gericht konnte da normalerweise nicht helfen, also Akte bestellen und nachschauen was da wohl los war :

Deckel aufgemacht und was liegt da vor mir:

ein kleines, altes Buch, in der Mitte ausgeklappt, damit es im Akt nicht zu dick aufträgt,  und daher sind es zuerst nur Zahlenreihen, die sichtbar werden. Erst als ich die erste Seite in dem Buch aufgeschlagen hatte wird sichtbar was das für eine kleine Besonderheit ist, die als Beilage für den oben angesprochenen Prozess notwendig, ja ausschlaggebend ist.
























Es ist das:

Anlags - SteurTax und 
Züns Bichel



Jakoben Straubinger Markt=
lehner und Schuhmachern
alhir zu Közting angehörig

de anno 1775

Hr     116
         131






Auch die Hausnummer 131 hilft uns nicht weiter, erst im Text wird klar um welches Anwesen in Kötzting es sich handelt:

Es sind einige Kaufverträge angeführt:
Xaver Auzinger, verheiratet mit der Anna, geb. Stoiber, verkaufen ihr Bürgeranwesen außer dem obern Tor, das sie von Jakob Straubinger gekauft haben an Andreas Amberger.  1819

Dann die alten Kaufverträge und Heiratsbriefe : Helene Pichelmayer schließt 1727 einen Heiratsbrief mit Johann Heinrich Straubinger und vermacht dabei ihr Marktlehen (sic)

Johann Heinrich Straubinger, Innerer Rat und Schuhmacher in Kötzting, übergibt sein Marktlehen 1774 seinem Sohn Jakob, zwischen Wilhelm Fink und Balthasar Kalb Häusern liegend.

Mit diesen 3 Angaben ist das Haus leicht zu lokalisieren:
1. vor dem oberen Tor
2. Marktlehen
3. gelegen zwischen zwei anderen Häusern.
Ausschnitt aus der Uraufnahme Kötzting von 1831 entnommen aus dem Buch Kötzting 1085-1985 Situation vor dem alten Friedhof
Der Straßenverlauf und die Bebauung vor dem oberen Tor wurden nach dem letzten großen Stadtbrand von 1867 entscheidend abgeändert. Anstelle der drei abgebrannten Häuser 157-158-159 wurden nur noch zwei Häuser aufgebaut. Das fragliche Haus des Jakob Straubinger war das Haus in der Mitte, das Haus mit der Nummer 158. An dieser Stelle steht jetzt ein Haus, in dem im Erdgeschoss eine Pizzeria und im ersten Stock die Arztpraxis Dr. Weixel untergebracht ist.

Was ist nun das Besondere an dem kleinen Buch:

Der Schuster und Marktlehner Jakob Straubinger hat in mehreren Abteilungen dieses Büchleins alle seine Steuern, Abgaben, Versicherungen und Zinszahlungen für seine "Hypothek" aufgelistet.
Und weil man diese Steuern und Abgaben damals eben nicht einfach überweisen konnte, sondern sein Geld persönlich mit solch einem Büchlein überbracht hat und sich die Bezahlung bestätigen hat lassen, sind in dem Buch, wie in einer Zeitreise alle Vorgänge protokolliert UND unterschrieben.


































Ausgab an Chf(churfürstlicher) Anlag

als St(euer) Service - Herdstat
Anlag und auch dergleichen:
den 12. Juny ao 1775 zahlt
das Service mit --- 36 xr (=Kreutzer)
Luckner mp (=manus propria = mit eigener Hand)

dem 16. 9bris(=Novembris) zahlt das Herdstatt
gelt mit ......25 xr
Luckner mp
ao 1776
zahlt das Herdstatt
gelt mit 25 xr
Servis 36 xr
Vischer


Samuel Luckner, der bekannte Kötztinger Kammerer, hat also hier mit eigener Unterschrift die Steuern des Jakob Straubinger eingenommen und quittiert.

1776 war dann der Kammerer Fischer an der Reihe
































1782  unterschrieb der Kammerer Schweitzer
1783 für Service und Herdstatt erneut Luckner
1784 war Luckners Freund und langjähriger Vicekammerer Kollmaier an der Reihe zu unterschreiben. Kollmaier und Luckner wohnten zu dieser Zeit bereits im Gschwandhof (heutzutage TCM Klinik) Luckner ebenerdig und Kollmaier im ersten Stock. In etwa zu dieser Zeit bezog Samuel Luckner, anlässlich solch eines Zahlungstermins, kräftig Prügel von vier Kötztinger Bürgersfrauen, die sich bei Ihm für seine Politik im Zusammenhang mit der Hofmark Reitenstein rächen wollten. Näheres kann in den sogenannten "Gelben Bänder", Beiträge zur Geschichte im Landkreis Cham nachgelesen werden, in welchen Luckners Zeit als Kammerer in Kötzting dargestellt wird.

auf der rechten Seite dann wieder Kollmaier, der die Herdstättenanlage kassiert.
die nächsten beiden Einträge quittiert wieder Luckner eigenhändig und am Ende sind dann noch ein paar Sondersteuern aufgeführt:
zalt letztes Ziel Herdstattgelt mit 25 xr
dan die 2te Landsteuer 45 xr
Marktsteuer 45 xr
Grubergilt 38 1/2 xr

Die Herdstättenabgabe musste genau dafür bezahlt werden, was im Wort vorkommt, für eine Herdstätte, also ein beheizbares Anwesen, das einen Ofen hatte. Für solche Listen führte der Staat Herdstättenbeschreibungen.
Die Landsteuer erhielt der Staat.
Die Marktsteuer der Markt Kötzting
Die Grubergilt ist ein Sonderfall: Ende 17tes Jahrhundert wurde ein großes landwirtschaftliches Anwesen in Grub, das der Grundherrschaft des Klosters Rott unterstand, mit Erlaubnis des Klosters und der Regierung zertrümmert ( solch ein Fall ist sehr selten vorgekommen) und die Grundstücke wurden anteilig und gleichmäßig auf die Kötztinger Bürger verteilt, die ab diesem Zeitpunkt immer Steuern für ihr Anwesen UND für ihre Gruber Anteile zu bezahlen hatten. Die Bürger Kötztings litten in all den Jahrhunderten immer unter viel zu wenig Grund und Boden um ihre Landwirtschaft auskömmlich betreiben zu können.





























1806, die Zeiten haben sich geändert, Luckner ist schon lange tot (+1794), Bayern ist ein Königreich und im Krieg und die modernen Zeiten haben sich auch in den Steuerlisten bemerkbar gemacht.

1806 zahlt 4 Steuern mit 3 fl(=Gulden)
Herdstättgeld     25 xr
Service              36 xr
Grubergült         38 xr 2 he
Wäzlhof      2 fl 10 xr
Brandkoncurrenz   47 xr  2 he
Unterschrift: Loderer

Bürgermeister (er hieß nun auch so wie in anderen Märkten) Loderer war der Besitzer des sogenannten Voglhofes, es ist das Anwesen zwischen den Anwesen Traurig am Marktplatz und dem Gasthaus Januel, Hausname Christianschneider.
zahlt ferner 1 1/2 Kriegssteuer mit 1 fl 7 xr 2 h   Loderer


Nun aber die Lösung des Rätsels, was hat das Buch bei diesem Prozess zu tun:

Der Schuhmacher Straubinger hatte offensichtlich das Brau- und Schankrecht, das ihm als Marktlehner zustand, nicht oder am Ende nicht mehr ausgeübt und ebenso wenig seine Besitznachfolger Auzinger. Als nun der neue Besitzer Amberger Andreas, 1819, als der neue Marktlehner brauen lassen wollte, verweigerten ihm dies die anderen Kötztinger Marktlehner mit der Behauptung, sein Anwesen wäre nie ein solches gewesen. Mit diesem Steuerbuch und mit den Verkaufsurkunden konnte er aber das Gegenteil beweisen und so zukünftig als unzweifelhafter Marktlehner im Kommunbrauhaus Bier brauen und auch in seinem Haus ausschenken lassen. Ob  er dies auch tatsächlich gemacht hat geht aus den Prozessakten natürlich nicht hervor.
Alle Dokumente und Bilder entstammen dem Akt
StA Landshut mit der Signatur: Amtsgericht Kötzting 6845