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Freitag, 21. April 2023

Kötztinger im Himmel .....

 Im Zusammenhang mit der Erarbeitung einer Jahreschronik für das Jahr 1953  - und damit für das sich heuer jährende Jubiläum der Stadterhebung Kötztings - haben wir im Stadtarchiv auch eine Anzahl an  offiziellen Schreiben und  Dokumenten.  Dies beginnt mit  der durchaus nicht unstrittigen Diskussion über die Notwendigkeit dieser "Standeserhöhung", geht dann weiter mit der Suche nach einer Partnerstadt, der Ausarbeitung seines Programmes im Rahmen der Pfingstwoche zusammen mit einem ersten historischen Festzug,  und nicht zuletzt mit Bildern, Bildern und wieder Bildern.
Für Ihre Verdienste um den vorherigen Markt Kötzting wurden dem Altbürgermeister Hans Schödlbauer und dem "Heimatforscher und Dichter unseres Pfingstfestspieles", Eugen Hubrich in einer Stadtratssitzung eine Woche vor dem Großereignis die Kötztinger Ehrenbürgerwürde verliehen.   

August Philipp Henneberger, selber damals Mitglied im Marktrat Kötztings, verewigte die beiden
neuen Ehrenbürger im "Goldenen Buch" Kötztings. Dieses Buch wurde erst in der Nachkriegszeit auf Anregung Eugen Hubrichs neu geschaffen.

         

Auch wenn das Thema dieses Blogbeitrages eine eher humoristisches sein soll, so hatte sich der Autor des hier zugrunde liegenden Gedichtes, Eugen Hubrich, in vielen seiner früheren - bis 1945 -  Arbeiten so weit für die Nationalsozialisten exponiert, dass ich das hier nicht einfach unter den Tisch fallen lassen möchte.
Im Abspann dieses Beitrags habe ich daher eine kurze Würdigung und Erläuterung zu diesen beiden so unterschiedlichen Kötztinger Ehrenbürgern zusammengestellt.


Hier also eine kleine Analyse,  des launigen Gedichtes über viele verstorbene Kötztinger, die oben an der Himmelspforte das Spektakel der Kötztinger Stadterhebung freudig mitfeiern, aus der Feder Eugen Hubrichs.
Gleich zu Beginn des Gedichts beschreibt er seine Schreibblockade, die um so bedrückender für ihn ist, als er bereits den Zug von Straubing nach Kötzting besteigt und feststellt, dass er immer noch keinen Prolog oder Gedicht vorzuweisen hat. Er ist bereits auf der Höhe von Konzell, als er einschläft und im Traum an der Himmelspforte am himmlischen Gartenzaun ankommt und dort auf viele bereits verstorbene Kötztinger trifft, die sich über den Zaun beugen und voller Stolz nach "unten" blicken, auf ihren kleinen aber geliebten Marktflecken, der nun sogar eine Stadt werden soll.
In diesem Gedicht führt er nacheinander viele verstorbene Kötztinger auf, die - um ganz im Skript  des tollen Disney-Pixar Films COCO zu bleiben -, solange dort oben, unten oder eben drüben  weiterexistieren können, solange wir, die noch Lebenden, uns noch an sie erinnern würden, am Besten mit einem Bild.
Einer der alten Kötztinger bekommt anlässlich des Kötztinger Freudentags sogar Freigang von "ganz unten". Wer wird das wohl gewesen sein?



Dann also los mit dem Gedicht:


Und nun führt er nacheinander die alten Kötztinger auf, es geht los mit dem "Costa Bader" und beiläufig dem "Kaiser Ludwig der Bayer"


Hans Costa, der "Costa Bader" war 1936 Pfingstbräutigam und das Haus des "Costa Baders" lag damals ganz allein, weit außerhalb Kötztings am Ende der heutigen Schattenaustraße.

Arbeitskreis Heimatforschung Repro Nr. 896 Hans Costa zwischen seinen beiden Brautführern Michl Traurig und Michael Plötz


Ein ganz besonderes Bild des damaligen Burschenzuges in der heutigen Schattenausstraße

Beim  "Kaiser Ludwig der Bayer" muss unser Arbeitskreis leider passen, da fand sich kein geeignetes Bild. im Archiv...aber dem Internet sei dank, im BR-Radiowissen fand sich eine Abbildung des Mannes, dem Kötzting seine letzte "Standeserhöhung" zu verdanken hatte, als er nämlich im Jahre 1344 uns die Rechte als Markt durch eine Urkunde bestätigte

https://www.br.de/radio/bayern2/sendungen/radiowissen/geschichte/ludwig-der-bayer 

Und weiter geht´s





Karl Holzapfel, der Kötztinger Hauptlehrer und Namensgeber für die Holzapfelstraße, war ebenfalls ein Kötztinger Ehrenbürger genauso wie der Kötztinger Bürgermeister Michael Drunkenpolz, der hier wohl zusammen mit seiner Ehefrau - Anna Drunkenpolz, einer geborenen Haimerl aus Grafenwiesen -  im Gedicht als Mitglied im Kirchenchor verewigt ist.
DIA Repro 488 Michael Drunkenpolz, Schmied und Bürgermeister. Von seinem ebenfalls im Gedicht erwähnten Bruder Josef haben wir kein gesichertes Bild, er ist jedoch in vielen Dokumenten zu finden, vor allem im Zusammenhang mit dem 500-Jahr-Ritt 1912.


Von Nik Heinrich stammt dieses Bild der Gedenktafel am Aufgang des Ludwigsberg in Würdigung der Leistungen des Oberlehrers Karl Holzapfel und des Forstmeisters Johann Hubrich, des Vaters des Gedichtschreibers, der seinen Vater später noch erwähnen wird, ihn aber nur als Forstmeister bezeichnet. Beide, Holzapfel und Hubrich, waren besonders aktiv in der Erschließung von Wanderwegen und in der weiteren Kultivierung des Ludwigsberges, nachdem der Landrichter Carl von Paur mit der Erbauung des Ludwigsturms  - übrigens auf seine eigenen Kosten - einen Anfang gemacht hatte.
Nun geht´s weiter mit "dem alten Lindner"

StA Kötzting - schwarze Mappe - der "alt Lindner", Karl Lindner, von manchen auch nur als "der Herr Major" bezeichnet.

Dann kommt hier noch "der Kapfer" vor, dessen "Halskragen" Hubrich ausdrücklich erwähnt.
Dieser "Halskragen" war ein ausgewachsener Kropf.



DIA-Repro 1241 Das Kapferhaus in der unteren Marktstraße
Das Bild haben wir von Dr. Toni Rabl bekommen und darüber noch folgende Informationen erhalten:

Ca. 1910. In der Türöffnung steht Frau Kapfer, im großen Fenster saß immer der alte Kapfer im Lehnstuhl mit einem runden Kappl auf und hat auf die Straße gschaut"( lt.Frau Wensauer).
" Unten drin war ein Schuster Preißler" (lt. Frau Schödlbauer Bettl)
"Die Kapfer hatten 2 Söhne und 1 Tochter, der Kapfer Schorsch gest. 1938 und der Krämerbub vom Haus gegenüber haben von Haus zu Haus ein Kirschkernspucken veranstaltet"(lt. Frau Wensauer)  Später das Cafe Klingseisen

Und weiter geht´s im Text:




Johann Hubrich, "der alte Forstmoasta" hatte eine reichhaltige Mineraliensammlung, auf die Eugen hier Bezug nimmt. Mit dem "gang I zum Friedenfelser" ist wohl ein Wirtshausbesuch beim "Gumbierl" gemeint, vermutlich sein liebstes Wirtshaus in Kötzting.

DIA-Repro 1698 Ansichtskarte Haus Heigl Marktstraße 20 1918  Aufschrift auf dem Haus " Friedenfelser Bierausschank  Josef Wagner" (genannt Gumbierl) Als Ansichtskarte verschickt von Nürnberg nach Kötzting am 5.9.1918 an Fräulein Amalie Fischer Kötzting Nr. 41. 


Johann Hubrich Forstmeister und Ehrenbürger



Von Pfarrer Elser haben wir nur ein sehr unscharfes Bild aber über dessen Abschied aus Kötzting gibt es eine große Reportage aus dem Kötztinger Anzeiger, in dem dann auch zusätzlich weitere im Gedicht angesprochene Personen vorkommen. In einem Zusatzartikel auf derselben Seite ist von einem Seminarhilfsleher Hubrich die Rede, der für Elsers Abschied Gedicht verfasst hatte...... dies war Eugen Hubrich am Anfang seiner Lehrerlaufbahn.

 







Vom Pfarrer Köstlbacher, Elsers Vorgänger, haben wir ebenfalls kein Foto sondern nur Einzelnachweise im Stadtarchiv, vor allem im Zusammenhang mit dem Pfingstritt und der Deckerschen Stiftung.

Der nächste Himmelsbewohner ist der ehemalige Kötztinger - und Wettzeller - Lehrer Hans Singer, eine lokale Berühmtheit, seit 1909 in Pension, verstarb im Alter von 64 Jahren im Jahre 1913.
In weiten Kreisen war Lehrer Singer deswegen bekannt, weil er 34 Jahre lang täglich bei jeder Witterung den 7 Kilometer langen Weg von Wettzell nach Kötzting und zurück machte. Derselbe hat als solcher sohin eine Strecke von 153,740 km zurückgelegt. Viele Kollegen waren bei der Beerdigung in Wettzell anwesend, wo er an der Seite seiner Frau bestattet worden war. Viele Vereine, bei denen er Mitglied gewesen war gaben ihm die Ehre. Auch die Pfarrei und Gemeinde Wettzell, deren Ehrenbürger er gewesen war, trauerten an seinem Grab.



Dann spricht er vom "Gams" und vom Decker Toni, zwei Nachbarn vom Marktplatz.
Gleich zwei "Hausnamen" hatten die - männlichen - Bewohner dieses Hauses, Gams und Schwarzanderl. Der Name "Gams" kam vom Auslegerschild am Hauseck (siehe Bild) das einen Gamsbock darstellte und der Name "Schwarzanderl" rührte von einem früheren Besitzer dieses Hauses her, eben einem Andreas Schwarz.

DIA-Repro 2343 : die "Gams" am Hauseck

Repro 2215 Wolfgang Kolbeck, Gams, der Pfingstbräutigam von 1925
mit seiner Familie.


Der angesprochene Decker Toni, stammte aus dem gegenüber liegenden Deckerhaus, wo er zunächst zusammen mit seinem Bruder  Josef eine Privatbrauerei im Deckeranwesen und später dann das Bräustüberl in der Holzapfelstraße  - später als Monokel bekannt - betrieb.  


Anton Decker hier bei Seiner Heirat mit der Viechtacher Bürgerstochter Anna Rankl

 
Hier das berühmte Kötztinger Bräustüberl in einer zeitgenössischen Darstellung

Vom angesprochenen Bezirksarzt Gruber ist nur bekannt, das er im Jahre 1888 seine Bezirksarztstelle 1. Klasse in Kötzting angetreten hatte, und dass seine Gattin Jolanthia im Jahre 1890 verstorben ist.
Besser schaut es schon mit dem "Nagelschmied Huaba" aus. Michael Huber, heutzutage das Modehaus Schödlbauer, heiratete als Nagelschmied in Kötzting ein und erwarb zusätzlich dort auch sein neues Berufsfeld als Kaufmann. 
Die auf dem Bild dargestellten Personen sind jedoch nicht Michl Huber und seine Frau sondern bereits die Nachfolger, die Familie  Wensauer.
Nach folgt in der Liste ein Herr Preißler. Wie weiter oben beim Anwesen Kapfer bereits erwähnt, wohnte und arbeitete der Schuhmacher Preißler im Erdgeschoss des Kapferanwesens und sogar die Grablege teilten sich die beiden Familien.
 



Der Name "Stricker" könnte sowohl eine Berufsbezeichnung als auch einen Familienname bedeuten, Strumpfstricker gab es in Kötzting um die Jahrhundertwende mehrere, so dass diese "Entschlüsselung" entfallen muss.
Beim nächsten Namen, der "Kittlmacher Kathl" sind wir im Hause Meidinger, Karl Meidinger, der bei der Errichtung des Kaitersbergkreuzes 1922 aktiv mitgearbeitet hatte, führte den Hausnamen "Kittlmacher"

Bei der "Kasbutterin" und der "Zittenbaurn Durl" sind wir noch ohne jede Idee, außer dass die Zweite wohl auf den Zittenhof bei Grafenwiesen  hinweist.
Besser sieht es schon mit dem Baron von Schacky aus, dem Kötztinger Bezirksamtmann, der hier, des Endreimes wegen mit einer Köppl Fanny verkuppelt wird.
Von Schacky war ab 1892 BZAmann
Freiherr von Schacky mit einem wohl leicht photogeshopten  oder gewichsten Oberlippenbart
auch er ein Kötztinger Ehrenbürger

Der Name Köppl Fanny ist zu unspezifisch, um mit Sicherheit auf eine bestimmte Person deuten zu können, ähnlich ist des mit dem "Endreim" Schröder Gani, also Wolfgang Schröder, der mit dem Nachfolger von Schackys, dem Bezirksamtmann Herrn von Fuchs in eine Zeile gepackt wurde.

Bild 7046 Bezirksamtmann von Fuchs, im Jahre 1912 zum Kötztinger Ehrenbürger
ernannt.
Bei der nächsten Runde erwähnt Hubrich auch einige Kötztinger Originale, die nicht unbedingt zu den angesehen Bürgern zählten, die er bisher aufgeführt hatte.
Der Noppl und da Lenzzolln:
Besser als es Georg Rauscher beschrieben hat, geht es eh nicht:
Der Noppl

Er wohnte bei Liebl (Lebzelter), und war an sich ein stiller Mann, der Frieden 
und Ruhe liebte und an warmen Tagen gerne sich an einem stillen Plätzchen sonnte.
Da saß er dann schweigsam und zufrieden und blinzelte in die Sonne. Trotzdem 
fand auch hier die Unvernunft der Kinder an dem Manne etwas zu spötteln und 
wenn es nur der Umstand war, daß der Alte, auf seinen Stock gestützt, etwas 
mühsam sich durch die Straßen schleppte und gerne vor sich hinbrummelte, 
wie es eben alte Leute gerne tun, die ihre Gedanken laut werden lassen und mit
sich selber sprechen.
Wenn dem Noppl die Schar der Kinder zu groß und ihr Spottgeschrei gar zu 
laut wurde, konnte er sehr ungemütlich werden. Er drohte mit seinem Stock 
und schimpfte fürchterlich. Da seine Worte aber undeutlich und manchmal verdreht 
heraus kamen, erreichte er das Gegenteil von dem, was er wollte und die Bande 
brüllte noch lauter. 
Einmal war der Alte bei seiner nachmittäglichen Siesta eingeschlafen. Da 
traute sich ein vorwitziger Bengel, den eisgrauen Seehundsschnurrbart des 
Schlafenden mit Mist einzureiben. Als der Noppl wach geworden war, roch er 
natürlich den infernalischen Gestank und entfernte
sich so rasch als es ihm möglich war von dem Ruheplatze.
Aber merkwürdigerweise nahm er den penetranten Geruch auf seinem ganzen 
Nachhauseweg wahr und er wurde fuchsteufelswild.
Zu Hause angekommen schimpfte er: „I woaß net, wos dös is dö ganze Welt'n 
stinkt nach 
S.•-dreck!"
Erst als man ihm den Bart abwusch, roch er nichts mehr. Aber sein 
Ausspruch wurde zum geflügelten Wort.

Frau Dietrich wiederum hatte ihre eigene Erinnerung an den "Lenzzolln" 

A ganz Bsonderer war da lenzzoln. I woaß's net, wia er wirklich ghoaßn hat und wo er ghaust hat. Aber bei ana jedn Leich is er mitganga, und es hätt' was g'fehlt, wenn da Lenzzolln net dabei gwesn wär. Dafür hat eahm aa da damalige Herr Kooperator a wunderschöne Grabred' ghaltn.

So abgriss'n und armselig er aa beianander war, und so greislich uns sei stoppelbarterts G'sicht vorkemma is, er hat auf uns an bsondern Eindruck gmacht. Und „Lenzzolln! Lenzzolln!" ham ma uns bloß schreia traut, wenn ma mehra warn und er scho weiter weg gwesn is.

A wengl dazwerch, aber kerzengrad is er ganga, aa wenn er nimmer ganz nüchtern war, und dees war er oft. Und so von obn her hat er oan o'schaun könna, daß i, wia er mir kurz vor Weihnachten wieder amal im Hausgang begegnt is, a bißl ängstlich und fast ehrerbietig gsagt hab:„ Grüaß God, Herr Lenz!"

Da is er mit am Ruckerer stehbliebn: ‚Was hast gsagt?" „Grüaß God, Herr Lenz", hab i zaghaft wiederholt.

„Herr Lenz! ‚Herr' hat s' gsagt! Dees geht für a Christkind!." Und mit a paar Tapperer is er wieder aus der Haustür naus und a ganz

anders Gsicht hat er g'habt, da Lenzzolln


Nach diesen beiden Personen eher am Rande der Kötztinger Gesellschaft, nun eine wirkliche Respektsperson, " der alt Hummel", ein Gendarm; auch von ihm haben wir ein Bild.


 
Aus dem privaten Fotoalbum von Frau Vogl, einer geborenen Mieleitner:  Andreas Hummel


Beim kartenspielenden "Forster" sollte es sich um den Magistratsobersekretär Josef Forster gehandelt haben. Von seinen Töchtern Maria, genannt Bobby und Pfingstbraut von 1934,  und "Fanny" haben wir Fotos, aber leider kann der Vater bisher noch in keiner unserer Sammlungen nachgewiesen werden.

Nun aber weiter mit dem Gedicht:




Auch der "Expediteur Pongratz" - Postgehilfe - Franz Xaver Pongratz kommt nur in den Kötztinger Akten vor, während wiederum sein Partner in Reimform, der Schneider Georg Sperl, in unserer Bilderdatenbank vorhanden ist.

Georg Sperl besaß das Haus, in dem heutzutage die Sonnenapotheke untergebracht ist.

Nun geht Hubrich einen Schritt zurück in die Vergangenheit und lässt ein paar Dichterkollegen an den himmlischen Gartenzaun treten.
Der Geheimrat Maximilian Schmidt, genannt Waldschmidt, hatte sich bei seiner Industrieansiedlung in Regenstein gewaltig verspekuliert und lebte fortan zumeist als gefeierter Heimatschriftsteller in München weit ab seiner Heimat.
 
DIA-Repro 2476 

DIA-Repro 2109


Als nächstes holt er sogar den "Saumüller", Dr. Karl Müller, den Amtsphysikus Kötztings hervor, einen der Zeitzeugen aus Kötztings guter alter Zeit, als es noch kein Zerwürfnis zwischen den Katholiken und den Altkatholiken gegeben hatte, und der eine Reihe von Gelegenheitsgedichten auf die Kötztinger Gesellschaft in Buchform hinterlassen hat. 

 
Dr. Karl Müller, genannt Saumüller


Seinem Führsprecher - im Gedicht -,  und wohl persönlichem Freund dem Chamerauer Pfarrer hatte er  -soweit ich mich erinnere, denn ich finde es nicht in den Unterlagen - damals sogar ein eigenes "Schmähgedicht" gewidmet.

Jetzt aber kommts ganz dick, einer, der aufgrund seines Lebenswandels eh nicht im Himmel verortet worden wäre, bekommt von "UNTEN" Freigang wegen des freudigen Ereignisses.
 

Michael Heigl, der Räuber Heigl, darf sich das Großereignis auch von oben anschauen und den andern Kötztingern ist es wohl recht....
Jetzt aber wirds ganz feierlich in der Himmelspforte, denn der "himmlische Pfingstritt" versammelt sich und auch hier finden sich viele Reiter, die wir noch kennen, aber zuvor marschiert die Kapelle Mühlbauer.
DIA-Repro 971 1906 Musikkapelle Mühlbauer beim Brautzug

Und nun kommen sie alle, alle


Mit dem "Schafriedl" sollte Josef Hastreiter aus der Ziegelgasse gemeint sein, denn das ist deren Hausname.
s
Hier Josef Hastreiter - Schafriedl -  als Pfingstbräutigam 1903



Der "Groumüller Franz" - Zitzelsberger Franz - stammt aus Grub.
 
Bild Josef Barth sen. Zitzelsberger Franz, der "Groumillner"



"Da alt Lindner" ist natürlich ebenso bekannt wie der "Schlossgärnter Hardl" - Leonhard Mittermeier - und der "Karl mit den zwoa Kranzln am Arm" ist natürlich der erst im Vorjahr verstorbene "Mesner Karl" - Karl Obermaier - , der - übrigens ebenso wie der Schlossgärtner Hardl - ein zweites Tugendkränzchen bekommen hatte.

Karl Lindner

DIA-Repro 694 Leonhard Mittermayer erhält im Jahre 1900 sein zweites Pfingstkranzl

DIA-Repro 1590 Zwei Jahre später, 1902, stirbt der Schlossgärtner Hardl und viele "Brauterer" geben ihm das letzte Geleit.


Ähnlich ist es bei der Beerdigung des Karl Obermayer - vulgo Mesner Karl - auch bei seiner Beerdigung geben ihm viele Brauterer die Ehre und Mädchen tragen seine zwei Pfingstkranzl.
DIA-Repro 71231  Beerdigung des Herrn Karl Obermayer

Bild Barth Josef, Karl Obermayer und seine Jubelbraut Anna Staudinger Pfingsten 1950

Die Grablege des Mesner Karl


Und am Ende lässt Eugen Hubrich noch - quasi als ewigen geistigen Offiziator -  den in Kötzting so beliebten Expositus Herrn Pfarrer Späth mitreiten.



So nun hatten sich also eine Menge an verstorbenen Kötztingern oben am himmlischen Gartenzaun versammelt und was wollten sie sehen?

Das wollten sie sehen: Der Bayerische Innenminister Dr. Wilhelm Högner überreicht die Urkunde zur Stadterhebung an den Kötztinger Bürgermeister Hans Kroher.
 
Foto Kretschmer 


 Dieser Moment ist auch im Goldenen Buch Kötztings festgehalten.



Wie ich eingangs bereits geschrieben habe, möchte ich den Autor dieses Gedichts, Eugen Hubrich, dessen Personen ich versucht habe, ein Gesicht zu geben, nicht unkommentiert vorstellen.
Er wurde für seine Verdienste um den Markt Kötzting im Jahre 1953 zum Ehrenbürger ernannt, sowohl wissend um seine Vergangenheit im Dritten Reich, die ja zu dem Zeitpunkt erst 8 Jahre zurück lag.
Daher hier nun kurz eine Einordnung des Autors in seine Zeit.



 








Zwei Gegenspieler als gemeinsame Ehrenbürger
Hans Schödlbauer und Eugen Hubrich


August Philipp Henneberger, selber damals Mitglied im Marktrat Kötztings, verewigte die beiden
neuen Ehrenbürger im "Goldenen Buch" Kötztings. Dieses Buch wurde erst in der Nachkriegszeit auf Anregung Eugen Hubrichs neu geschaffen.

Es ist schon seltsam, dass die hier gemeinsam geehrten Personen nur wenige Jahre vorher sich während der Diktatur des Dritten Reiches in vollkommen entgegengesetzten, ja feindlichen Lagern befanden. Hans Schödlbauer wurde von den Nazis gleich im Frühjahr 1933 als Bürgermeister abgesetzt und  durch Benno Hoiss ersetzt, während Eugen Hubrich in vielen Publikationen - vor allem in der Zeitschrift "Der Bayerwald" - und bei vielen weiteren Veranstaltungen sich als Anhänger der Ideen des Nationalsozialismus erklärte und für diesen warb.

Hans Schödlbauer wurde nach dem Einmarsch der Amerikaner gleich wieder in seinem ursprünglichen Amt bestätigt, während Eugen Hubrich ein sehr langwieriges Spruchkammerverfahren im Rahmen der Entnazifizierung Deutschlands zu durchlaufen hatte, bis im Sommer/Herbst 1949 im Rahmen seiner Berufungsverhandlungen Teile seiner Tätigkeitsverbote langsam aufgehoben wurden.
Nach der Rechtslage hätte er das im Sommer uraufgeführte Spiel von der Pfingstrittehr gar nicht schreiben geschweige denn aufführen lassen dürfen. Hubrichs Rolle im Dritten Reich wurde erst in diesem Jahr  2022 - im Rahmen einer neuen Buchreihe "Täter-Helfer - Trittbrettfahrer" ausführlich dargestellt.
Auch andere kritische Untersuchungen wurden in den letzten Jahren veröffentlicht, wie zum Beispiel eine ausführliche Analyse seines Textbeitrages zur "Waldlermesse und offene völkische Anklänge beim Agnes-Bernauer-Festspiel und dem Spiel "Amberger Blut" zur 900 Jahrfeier der Stadt Amberg 1934.
Zu seiner Ehrenrettung sei allerdings auch gesagt, dass er seine Sühneauflagen bewusst an- und aufgenommen hatte und nur darum bat, weiterhin einige volkstümliche Stücke und kleine Chroniken schreiben zu dürfen. Als im Sommer 1951 die neu restaurierte Hindenburgkanzel wieder eröffnet werden konnte, wünschten sich die Lohberger Verantwortlichen  Eugen Hubrich als Festredner zu gewinnen, erhielten von diesem aber aus nachvollziehbaren und durchaus ehrsamen Gründen eine eindeutige und begründete Absage. 
Hubrich schrieb selber davon, dass er im Jahre 1933 bei der Einweihung - und verweist auf eine Bayerwaldausgabe desselben Jahres - seine damalige Rede im nationalsozialistischen Sinne gehalten habe.
"Das war einmal so und ist weder abzuleugnen noch zu ändern". .. "aber bei solch repräsentativen Veranstaltungen, die sich hart an der Grenze zur Politik bewegen, muss ich anstandshalber ausscheiden. Es müsste den Zuhörern der Glaube an meine Aufrichtigkeit fehlen. Es wäre auch möglich, dass mein Auftreten Streitigkeiten zur Folge hätte.... Meiner Meinung nach ist jeder ehemalige Nationalsozialist verpflichtet in rein sachlicher Hinsicht Dienst zu leisten, darüber hinauszugehen muss ihm aber sein Empfinden verbieten."
Und so saßen die beiden frischgebackenen Kötztinger Ehrenbürger vereint in einer Kutsche beim Historischen Festzug am Pfingstsonntag 1953.
Foto Kretschmer: Hans Schödlbauer und neben ihm Frau Hubrich. Eugen Hubrich ist nur in der Rückenansicht zu sehen.