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Mittwoch, 14. Dezember 2016

Weihnachtsgeschenke für einen Kötztinger Heimatforscher

erste Forschungsreise in diesem Winter

Nächste Woche geht's ab nach München, 3 Tage Archivarbeit im Hauptstaatsarchiv, Staatsarchiv München und in der Bayrischen  Staatsbibliothek. Da die Kollegen da oben nicht auf jeden Kundenwunsch sofort ins Magazin eilen sollte man diese Besuche vorbereiten und dann kommt irgendwann ein Brief , dass die gewünschten Archivalien zur Einsicht vorliegen oder nicht.

Manchmal gibt's da ein paar Überraschungen, positive wie negative.

Ahnentafel des sogenannten "Pongratzprozesses" Staatsarchiv Landshut Pfleggericht Cham A 405


Was bekomme ich nächste Woche im Hauptstaatsarchiv München (hoffentlich) zu sehen:



hier geht's um die Bestallung von zwei Kötztinger Botenstellen im ersten Drittel des 19. Jahrhunderts, dem sogenannten Straubinger und dem Regensburger Boten. Interessant wird sein, was die Arbeitsbedingungen und die jeweiligen Auflagen sind, die die Bewerber erfüllen mussten.

Dann geht's weiter mit einer Münchner Entscheidung über eine Kötztinger Wasserleitung, die der Kötztinger Bürger Windorfer beantragt hatte. Hier möchte ich genauer wissen, was an dieser Entscheidung so schwierig war, dass sogar München darüber urteilen musste.

Der letzte Akt aus diesem Stapel betrifft unter anderem  die Hofmark Reitenstein, die, zu diesem Zeitpunkt,  noch nicht im Besitz des Marktes Kötzting war sondern noch eine eigenständige Hofmark bildete.

Interessant wird bei der nächsten Bestellung:
Bei dem ersten Akt erwarte ich eine Art: " die seltsamen Methoden des Inspektors Wanninger", das war eine Fernsehkrimiserie in den Sechzigern. Hier geht es um die besonderen Tricks, die der Chef der Kötztinger Gendarmerie, Suffa,  1853 angewandt hatte um den Räuber Michael Heigl endlich dingfest zu machen.
Beim zweiten Bündel sollte es - hoffentlich - um die Bande eines gewissen Vogl aus Traidersdorf gehen, der in den 80er Jahren ebenfalls in den Presse genannt wird wobei die Kötzting er sich in Gegendarstellungen heftig darüber beschwert hatten, dass der Räuber Vogl in der überregionalen Presse  als Kötztinger bezeichnet worden war. "Traidersdorf wäre eine eigenständige Gemeinde und im Übrigen mindestens 1 1/2 Stunden von Kötzting entfernt."
Ich vermute mal, dass Bob Vogel, der Sheriff  aus Florida, dessen Urgroßmutter ja aus Traidersdorf stammt, sicherlich sich sehr freut, wenn er einen leibhaftigen Räuberhauptmann in der Verwandtschaft hat.
Und dann gibt's noch ein Schmankerl oben drauf, der nette Mitarbeiter in München hat noch einen Akt über Michael Heigl ausfindig gemacht, nämlich über dessen Verurteilung zum Tode und die nachfolgende Begnadigung. Mal schauen, was da so alles drinsteht


Im Staatsarchiv München findet sich ein Aktenbündel, das sich mit dem sogenannten "Pongratzprozess" beschäftigt.
Meines Wissens nach hat es wegen eines - möglicherweise fiktiven möglicherweise echten - Erbfalles über sage und schreibe 220 MILLIONEN holländische Gulden zum Ende des 18. Jahrhunderte knapp unter 80 Prozesse gegeben. So weit ich weiß hatte die letzte Prozessgemeinschaft in den 1950er Jahren zuletzt versucht über eine Petition im bayerischen Landtag eine Neuaufnahme des Prozesses genehmigt zu bekommen.
Die "Räuberpistole", die zu dieser Prozessserie geführt hat ist im Neukirchener Heimatbuch von Mathilde Baumann unter dem Titel: "Der Goldbrief von Atzlern" schon detailliert
beschrieben worden. Ich habe in Landshut sogar schon die dazugehörigen Folterprotokolle des angeblichen Bösewichts gelesen. Auch wenn ich auf die Abstammungslinie des Erblassers - möglicherweise - erst mit dessen Großvater treffe, da der Bösewicht "Semmelbauern Hansl" hieß und meine Frau väterlicherseits von den Semmelbauern  abstammt ist diese Geschichte sowohl heimat- als auch familiengeschichtlich sehr interessant. 
hier noch einmal die Ahnentafel, die schon eingangs als Illustration verwendet worden war: auf dieses Erbe wollten natürlich vor mehr als 200 Jahren Viele aufspringen, die diesen Familiennamen führten. Diese wunderschön gemalte Ahnentafel - im Original sicherlich 50 cm in der Diagonale  man beachte die Trachten des ausgehenden 18. Jahrhundert - half aber nichts, Geld gab´s trotzdem keines, wie auch später nichts.

Nachdem diese holländische Erbschaft, wenn es sie überhaupt gegeben hat, vom Hause Wittelsbach - Teile von Holland waren mit dem Hause Wittelsbach in Straubing verbunden -, eingestrichen worden war, kann man mit Fug und Recht behaupten, dass König Ludwig seine Schlösser mit UNSEREM Geld gebaut hatte. ;-))

Nun zur negativen Überraschung: in den online lesbaren Repertorien des HStAs findet sich ein Hinweis auf die Auswanderung eines Kötztinger jüdischen Mädchens nach Palästina.


Kirschner, Susanne, Jude, geb. 22.11.1927 in Kötzting; 1939 nach Palästina ausgewandert.



Susanne Kirschner, geboren im November 1927 bekam die Erlaubnis 1939 nach Palästina auszuwandern. Diesen Akt habe ich aber wegen des noch bestehenden Datenschutzes nicht bekommen. Ich finde es aber äußerst bemerkenswert, dass ein junges Kötztinger Mädchen im Alter von 12  Jahren es während oder kurz vor dem zweiten Weltkrieges geschafft hat aus Deutschland zu entkommen und sich bis nach Palästina durchzuschlagen. Eine Unternehmung übrigens, die ihr Vater Julius Kirschner 1940 schaffte. Dieser starb - angeblich mit Herzversagen - auf dem Donauschiff URANUS in Bulgarien auf der Fahrt ins Donaudelta, wo er bereits auf der Passagierliste für einen Überseedampfer, der PACIFIC stand, welcher dann ebenfalls nach Palästina fahren sollte. Die jüdisch askenasische Kulturgemeinde in Rustschuk in Bulgarien bestätigte die Beerdigung auf deren jüdischem Friedhof am 9.9.1940.

DDSG-Raddampfer Uranus, gechartert von der jüdischen »Mossad
Das Bild und die genaueren Umstände der Fahrt der URANUS an das Donaudelta kann hier nachgelesen werden, aus diesem Blog stammt auch das Bild

Vielleicht war dies bei er ganzen Tragödie sogar der einfachere Tod, denn das Schiff sollte nie in Palästina ankommen: siehe den folgenden Bericht aus:
Jürgen Rohwer

JÜDISCHE FLÜCHTLINGSSCHIFFE IM SCHWARZEN MEER (1934-1944) In: Ursula Büttner (Hrsg.): Das Unrechtsregime. Band 2: Verfolgung / Exil / Belasteter Neubeginn.
Hamburg: Christians Verlag 1986. S.197-248.

Inzwischen war es dem Mittelsmann Eichmanns, Storfer, gelungen, einen neuen großen Transport von überwiegend Mossad-Anhängern auf vier DDSG-Schiffen auf den Weg zu bringen. Am 3.9.1940 liefen die SCHÖNBRUNN und die HELIOS mit zusammen 1771 Menschen von Wien aus, darunter 600 freigelassene Häftlinge aus Dachau, 300 alte Menschen und 150 Kinder unter 12 Jahren. Ihnen folgten noch am gleichen Tage die URANUS und MELK mit zusammen 1880 Menschen, darunter etwa 3/4 "Halutzim" aus Österreich, dem Protektorat und Danzig. Dieses Mal hatten die Mossad-Agenten Bar-Pal und Ruth Klüger in den rumänischen Donau-Häfen drei Schiffe bereitgestellt. Am 7.10. lief die ATLANTIC mit den 1771 Flüchtlingen der SCHÖNBRUNN und HELIOS von Tulcea über Sulina aus. Am 11.10 folgte die PACIFIC mit 1000 Passagieren der URANUS von Sulina, und am 19.10. die MILOS (1895, 598 BRT) mit 880 Passagieren der MELK ebenfalls von Tulcea. Auf diesen alten und verrotteten, für weniger als 100 Passagiere eingerichteten Schiffen herrschten unbeschreibliche Zustände. Auf der PACIFIC gab es nur einen Parafinofen und kaum Trinkwasser. Die Flüchtlinge mussten in Schichten schlafen und konnten nur abwechselnd in festen Turns an Deck kommen, um frische Luft zu schöpfen. Auf der ATLANTIC gab es unter Deck keine Ventilation und kein Licht, die sanitären Einrichtungen waren äußerst rudimentär, und teilweise konnten die Flüchtlinge auch nur abwechselnd sitzen. Schließlich brach auf der ATLANTIC eine Typhusepidemie aus, und ehe das Schiff Zypern zur Ergänzung der Vorräte erreichte, starben 15 Menschen. Die weitergefahrenen Schiffe PACIFIC und MILOS wurden am 14.11. vor Haifa von britischen Kriegsschiffen aufgebracht und in den Hafen geleitet. Unter dem Eindruck dieses neuen Ansturms veröffentlichte die Mandatsregierung am 20.11. eine Ankündigung, dass von nun an alle Personen, die versuchten, illegal nach Palästina einzuwandern, in eine britische Kolonie deportiert würden, wo sie bis zum Kriegsende verbleiben müssten. Am 24.11. traf auch die ATLANTIC in Haifa ein. Alle Bemühungen der Jewish Agency, die Entscheidung der Mandatsregierung rückgängig zu machen, hatten keinen Erfolg. Am gleichen Tage begann man, zunächst die Passagiere der PACIFIC an Bord des im Hafen liegenden internierten französischen Passagierschiffes PATRIA (1913, 11.885 BRT) zu bringen, mit dem die Flüchtlinge nach Mauritius im Indischen Ozean deportiert werden sollten. Um die Deportation zu verhindern, hatte ein Kommando der "Haganah" am Rumpf des Schiffes Sprengladungen angebracht, welche das Schiff auf Grund sinken lassen und damit die Fahrt unmöglich machen sollten. Die am 25.11., kurz nachdem auch die ersten 80 Passagiere der ATLANTIC an Bord gebracht waren, detonierende Sprengladung erwies sich jedoch als viel zu stark, so dass die PATRIA innerhalb von 15 Minuten sank und teilweise kenterte. Trotz aller Rettungsmaßnahmen der britischen Marine kamen 254 Personen bei dieser Katastrophe um. Die restlichen Passagiere der ATLANTIC und MILOS wurden zunächst in das Internierungslager Athlit geschickt, wobei die Polizei teilweise Gewalt anwenden musste. Nur 45 besondere Fälle wurden ausgenommen. Am 8.12. brachte man die 1584 restlichen Personen an Bord eines Passagierschiffes, mit dem sie nach Mauritius transportiert wurden, wo sie bis zum August 1945 in Lagern untergebracht waren. Die ursprünglich geplante Deportation der geretteten Flüchtlinge der PATRIA musste jedoch auf Grund von Protesten aus den U.S.A. und nach einer Intervention des Zionistenführers Dr. Weizmann bei Churchill unterlassen werden.51)




Den Hinweis auf die Dampfer habe ich von Frau Dr. Erika Schwarz und ihrem Mann Gerhard erhalten, die an einem Forschungsprojekt in Brandenburg arbeiten und dort auch auf Julius Kirschner gestoßen sind, der dort bis zu seiner Ausreise auf einem landwirtschaftliche Gut arbeiten musste. Beide bereiten eine Veröffentlichung vor, auf die ich schon sehr gespannt bin.

 
Nachdem ich den Akt noch nicht erhalten habe, Datenschutz im bayrischen Archivgesetz, muss ich eben noch warten, eine größere Arbeit zu diesem Thema ist eh erst für 2018 geplant.

Als dritte Anlaufstelle kommt dann noch die Staatsbibliothek dazu, praktischer Weise im Gebäude daneben - hier geht's um ein paar Zeitungskopien, für die 1910er/1920er und 1930er Jahre.
Durch eine Nachfrage nach einem Besuch des Kronprinzen Rupprecht in Kötzting 1926 habe ich einen Hinweis auf eine Chamer Zeitungsnotiz bekommen, wo sich der Autor über die Kötztinger Bürger lustig machte, welche offensichtlich vor dem hohen Besuch sich sehr devot verhielten.


Es werden also drei spannende Tage in München nächste Woche, aber nur für den den´s interessiert.....